Rantsev gegen Zypern und Russland – Art. 2, 3, 4 EMRK
Oxana Rantseva, die Tochter des späteren Klägers, kam aus Russland nach Zypern, um dort in einem Cabaret-Theater zu arbeiten. Hierfür wurde ihr ein Künstlervisum ausgestellt, aufgrund dessen sie von ihrem dortigen Arbeitgeber abhängig war. Nach nicht ganz geklärten Streitigkeiten dem Arbeitgeber und einem Kontakt mit der Polizei beging sie vermutlich unter erheblichem Alkoholeinfluss Selbstmord.
Der Vater der getöteten klagte daraufhin gegen Zypern und gegen Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Art. 2 EMRK – Recht auf Leben
Ein Verstoß gegen Art. 2 EMRK durch den zypriotischen Staat lag aus Sicht des EGMR aber nicht in dem Sinne vor, dass dieser Schutzpflichten gegenüber Frau Rantseva verletzt hatte. Denn es gab keinen Hinweis darauf, dass sie sich in Lebensgefahr durch sich selbst oder andere Personen befand.
Allerdings habe Zypern dadurch gegen Art. 2 EMRK verstoßen, dass es keine effektiven Ermittlungen ihres Todes gegeben habe. Insbesondere sei ihr Vater nicht über die Ergebnisse informiert worden und habe keine Möglichkeit bekommen, sich am Verfahren zu beteiligen.
Russland sei insoweit jedoch kein Vorwurf zu machen, da sich der Tod auf zypriotischem Boden zugetragen hat. Ein Staat habe keine Pflicht aus der EMRK, weltweit für rechtsstaatliche Verhältnisse zu sorgen.
Art. 3 EMRK – Folterverbot
Für einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK (Folterverbot) fehlten tatsächliche Anhaltspunkte. Ein solcher liege zwar nicht fern, da Frau Rantseva durch ihren Arbeitgeber wohl ausgebeutet wurde. Insoweit sei jedoch in erster Linie auf den Verstoß gegen Art. 4 EMRK abzustellen.
Art. 4 EMRK – Zwangsarbeitsverbot
Artikel 4 der Europäischen Menschenrechtskonvention verbietet Zwangsarbeit und Leibeigenschaft und verpflichtet die Staaten dazu, die Menschen von derartigen Arbeitsverhältnissen zu schützen. Dies habe Zypern nicht getan, da die hier vorliegenden „Künstlervisa“ Menschenhandel und Ausbeutung begünstigten und die Abhängigkeit insbesondere junger Frauen aus dem Ausland von ihrem jeweiligen Arbeitgeber förderten.
Russland war insoweit zwar nicht vorzuwerfen, für die Zustände in Zypern direkt verantwortlich zu sein. Die Regierung hatte jedoch die Pflicht, die Rekrutierung von Opfern des grenzüberschreitenden Menschenhandels im eigenen Land zu unterbinden. Dass sie dies getan hatte, konnte die Regierung nicht nachweisen, sodass sich dadurch ein Verstoß gegen Art. 4 EMRK ergab.
EGMR spricht Schadenersatz zu
Außerdem wurde noch über Verletzungen von Art. 5 und 6 EMRK entschieden. Von einer näheren Darstellung der hierfür notwendigen Details haben wir jedoch abgesehen.
Der EGMR sprach dem Kläger schließlich 40.000 Euro Entschädigung gegen Zypern und 2000 Euro Entschädigung gegen Russland sowie Kostenersatz zu.