Der streitgegenständliche Sachverhalt spielte sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ab. Streitgegenstand war indes der Ausschluss eines Mitgliedes aus einer Fraktion. Gegen diesen Ausschluss ging die Antragstellerin (Fraktionsmitglied) vor und begehrte im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilen bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren als Fraktionsmitglied zugelassen zu werden. Das VG Bayreuth positionierte sich hierbei eindeutig auf Seiten der Antragstellerin: „Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Antragstellerin vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit allen Rechten und Pflichten eines Fraktionsmitglieds zur Fraktionsarbeit zuzulassen.”
Im Rahmen seines Beschlusses führte das Gericht insbesondere zu den formellen sowie materiellen Voraussetzungen für einen Fraktionsausschluss aus.
Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Fraktionsmitglied ausgeschlossen werden kann, richtet sich in erster Linie nach den bei der Errichtung der Fraktion getroffenen Absprachen. Sofern eine entsprechende Regelung fehlt, ist auf den Maßstab zurückzugreifen, welcher generell für die Beendigung von Dauerrechtsverhältnissen gilt. Zwingend erforderlich ist, dass dem Ausschluss des Fraktionsmitglieds eine Anhörung des Betroffenen vorausgeht. Zudem müssen sämtliche Fraktionsmitglieder zu der Sitzung, in der über den Ausschluss befunden werden soll, eine Ladung unter konkreter Benennung dieses Tagesordnungspunktes erhalten. Schließlich ist eine schriftliche Mitteilung der Ausschlussgründe an das ausgeschlossene Mitglied notwendig (VG Gießen, Beschluss vom 30.05.2003 – 8 G 1662/03). Im Übrigen kann ein Ausschluss nur durch einen Mehrheitsbeschluss der Fraktion erfolgen (VG Osnabrück, Beschluss vom 17.10.2008 – 1 B 27/08).
Des Weiteren muss ein Fraktionsausschluss demokratischen und rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen. Im Falle mangelnder Regelungen in der Geschäftsordnung ist auf Regelungen der Gemeindeordnung entsprechend zurückzugreifen. Nach Art. 49 Abs. 1 S. 1 Gemeindeordnung (GO) kann ein Gemeinderat an der Beratung und der Abstimmung nicht teilnehmen, wenn der Beschluss ihm selbst oder einer von ihm kraft Vollmacht vertretenen natürlichen Person einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erbringen kann. Hierbei werden nicht nur wirtschaftliche Interessen als Vorteil oder Nachteil gewertet, sondern auch ideelle oder persönliche Vorteile wie die Mehrung oder Minderung des Einflusses und des Ansehens. Sinn der Regelung ist es, dass niemand in eigener Sache ein Urteil abgeben und über eigene Sonderinteressen abstimmen soll. Ein unter Mitwirkung wegen seiner persönlichen Beteiligung ausgeschlossenen Mitglieds gefasster Beschluss hat die Ungültigkeit des Beschlusses nach Art. 49 Abs. 4 GO zur Folge, wenn die Mitwirkung für das Abstimmungsergebnis entscheidend war.
Ein wesentlicher Verfahrensmangel, der dazu führt, dass der Fraktionsausschluss als nichtig zu werten ist, stellt eine fehlende (schriftliche) Mitteilung der Ausschlussgründe an das Fraktionsmitglied dar (siehe dazu bereits oben). Das Fraktionsmitglied muss allein durch die Lektüre der Mitteilung über seinen Fraktionsausschluss in die Lage versetzt werden zu entscheiden, ob er den Beschluss hinnehmen oder aber hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Eine Begründung, wie bspw. „mehrheitlich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich erscheint”, wird dem Begründungserfordernis nicht gerecht. Mangels ausdrücklicher Regelung (z.B. in der Geschäftsordnung) kann die Begründung auch nicht nachgeholt werden, denn es gibt keinen im Rechtsstaatsprinzip oder in der Garantie effektiven Rechtsschutzes verwurzelten Grundsatz, dass Verstöße gegen Verfahrensvorschriften stets durch Nachholung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt heilbar sind, sodass eine analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG vorliegend nicht angezeigt ist (VG Osnabrück, Beschluss vom 17.10.2008 – 1 B 27/08).
In materieller Hinsicht ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Ausschluss aus der Fraktion nur das letzte Mittel der Wahl sein darf. Der Fraktionsausschluss darf nach ständiger Rechtsprechung erst angeordnet werden, wenn alle milderen Maßnahmen versagt haben oder wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise nicht in Betracht gezogen werden mussten (VG Osnabrück, Beschluss vom 17.10.2008 – 1 B 27/08). Ein den Ausschluss eines Fraktionsmitglieds rechtfertigender wichtiger Grund ist indes nur gegeben, wenn Umstände vorliegen, die das Vertrauensverhältnis nachhaltig und derart stören, dass den übrigen Fraktionsmitgliedern eine weitere Zusammenarbeit nicht zugemutet werden kann, wobei auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Fraktion abzustellen ist (VG Braunschweig, Urteil vom 12.09.2007 – 1 A 37/07). Hierbei trägt die ausschließende Fraktion die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Grundes. Ein wichtiger Grund liegt auch dann nicht vor, wenn Äußerungen in Fraktionssitzungen, die für ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren relevant sein können, von einem Fraktionsmitglied nicht geheim gehalten werden, da diese Inhalte insoweit keinem Zeugnisverweigerungsrecht unterliegen. Wurde eine solche Geheimhaltungspflicht von der Fraktion vorab nicht schriftlich in der Geschäftsordnung festgehalten, gilt dies erst recht.