BVerfG, Beschluss vom 17.05.2022, 2 BvR 661/22

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann eine bereits durchgeführte Wohnungsräumung nicht mehr im Wege der Verfassungsbeschwerde (und ggf. eines Eilantrags) rückgängig gemacht werden.

Ist die Räumung vollzogen, ist das Verfahren abgeschlossen und es gibt keine Handlung mehr, gegen die der Betroffene geschützt werden könnten.

Ein Rückgängigmachen der Räumung wäre dann Gegenstand eines neues Verfahrens vor den allgemeinen Zivilgerichten oder vor den Vollstreckungsgerichten, für das es aber keine Rechtsgrundlage geben dürfte.

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BVerfG, Urteil vom 30.07.2024, 2 BvF 1/23 u.a. (Grundmandatsklausel)

Das neue Bundestagswahlrecht ist im Wesentlichen verfassungskonform.
Das neue Bundestagswahlrecht ist im Wesentlichen verfassungskonform.
Das Bundesverfassungsgericht hat das neue Bundestagswahlrecht im Wesentlichen bestätigt.

Allerdings sei die Fünfprozenthürde in der aktuellen Form verfassungswidrig, soweit sie CDU und CSU wie zwei selbständige Parteien behandelt, die beide bundesweit gerechnet über 5 % der Stimmen brauchen.

Kernaussagen:

  • Neuregelung des Wahlrechts liegt im Ermessen des Gesetzgebers
  • Prinzip der Zweitstimmendeckung ist verfassungskonform
  • Es ist nicht zu beanstanden, dass Wahlkreisgewinner kein Mandat bekommen, wenn ihre Partei nicht genügend Zweitstimmen erhalten hat
  • Fünfprozenthürde ist verfassungskonform, wenn die notwendig ist, die Arbeitsfähigkeit des Bundestag zu erhalten
  • Arbeitsfähigkeit des Bundestags ist nicht gefährdet, wenn kleine Partei nur Anhängsel einer großen Partei ist
  • CSU ist keine eigenständige Partei, sondern faktisch ein Landesverband der CDU
  • Fünfprozenthürde kann auf die CSU nicht, wohl aber auf die Linke angewandt werden
  • Bis zur Neuregelung bleibt die Grundmandatsklausel in Kraft, Parteien mit drei Direktmandaten sind von Fünfprozenthürde befreit

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Urteilssammlung: Das BVerfG zum Namensrecht

Die Namensvergabe spielt sich vor allem im Familienrecht ab, hat aber auch verfassungsrechtliche Relevanz.
Die Namensvergabe spielt sich vor allem im Familienrecht ab, hat aber auch verfassungsrechtliche Relevanz.
Heute mal wieder eine Urteilssammlung. Dabei geht es um die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung rund um den Namen.

Auf den ersten Blick ist es vielleicht etwas verwunderlich, dass damit überhaupt die Gerichte zu tun haben – man heißt nun einmal, wie man heißt. Tatsächlich beinhaltet der Name einer Person durchaus Konfliktpotential. Juristische Probleme können unter anderem in folgenden Konstellationen passieren:

  • Vergabe des Vornamens an ein neugeborenes Kind
  • Weitergabe des Familiennamens an ein neugeborenes Kind
  • Annahme eines Ehenamens nach der Hochzeit
  • Annahme eines neuen Familiennamens bei Adoption
  • Wunsch nach einer Namensänderung

Funktion des Namens

In seiner Leitentscheidung zum Namensrecht aus dem Jahr 2001 hat sich das Bundesverfassungsgericht in prägnanter und umfassender Form mit verschiedenen Funktionen des Namens einer Person auseinandergesetzt und seine bisherige Rechtsprechung zusammengefasst.

In 1 BvR 1646/97, 11.04.2001 heißt es ganz grundsätzlich:

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BVerfG, Beschluss vom 09.02.2022, 2 BvL 1/20 (Kraftfahrzeugrennen)

Von einem Kraftfahrzeugrennen gehen besondere Gefahren aus.
Von einem Kraftfahrzeugrennen gehen besondere Gefahren aus.
Der Straftatbestand des verbotenen Kraftfahrzeugrennen in Form eines sogenannten Alleinrennens (§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit dem Grundgesetz vereinbar

§ 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB stellt sog. Einzelrennen unter Strafe. Demnach wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer sich im Straßenverkehr als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.

Amtsgericht legte Verfahren dem BVerfG vor

Im Ausgangsverfahren hatte das Amtsgericht Villingen-Schwenningen Zweifel, ob ein dort zu verhandelndes Alleinrennen mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar war.

Erachtet ein Gericht eine Norm als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, trifft dieses zunächst keine Entscheidung. Vielmehr wird das Verfahren ausgesetzt – es „ruht“ quasi. Zugleich wird es dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bestimmung vorgelegt.

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BVerfG, Beschluss vom 29.04.2021, 2 BvR 1543/20

Immer wieder sorgen Fragen der Fristeinhaltung für Probleme bei Verfassungsbeschwerden.
Immer wieder sorgen Fragen der Fristeinhaltung für Probleme bei Verfassungsbeschwerden.
In diesem Verfahren hat das Bundesverfassungsgericht eine sehr rigorose Entscheidung getroffen: Ohne Darlegungen dazu, wann das Urteil zugegangen ist, ist eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Strafurteil häufig unzulässig.

Eine Verfassungsbeschwerde ist das letzte Rechtsmittel auf nationaler Ebene. Sie muss innerhalb eines Monats nach Zugang der letzten Entscheidung der Fachgerichte eingelegt werden. Im Strafrecht ist das in der Regel der Beschluss über die Revision durch das Oberlandesgericht oder durch den Bundesgerichtshof.

Das Besondere im Strafrecht ist, dass diese Entscheidung sowohl dem Angeklagten als auch dem Rechtsanwalt zugeschickt wird. Die Monatsfrist für die Verfassungsbeschwerde beginnt aber schon mit dem ersten Zugang.

Daher ist es die Pflicht des Anwalts für die Verfassungsbeschwerde, darzulegen, wann die Entscheidungen genau zugegangen sind.

Da dies im vorliegenden Fall anscheinend nicht geschehen, wurde die Verfassungsbeschwerde als nicht mehr fristgemäß verworfen. Dies ist besonders tragisch, da diese wohl gute Chancen hatte. In seiner Begründung führt das Bundesverfassungsgericht aus, dass der Anspruch auf ein faires Verfahren wohl dadurch verletzt wurde, dass unklar geblieben ist, ob es in der Verhandlung zu einer Verständigung („Deal“) gekommen ist. Weil die Verfassungsbeschwerde aber schon unzulässig war, kam es darauf nicht mehr an.

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BVerfG, Beschluss vom 08.12.2005, 2 BvR 799/05

Wer der Meinung ist, dass ein Richter unfair handelt, muss einen Befangenheitsantrag stellen.
Wer der Meinung ist, dass ein Richter unfair handelt, muss einen Befangenheitsantrag stellen.
Wird im Strafprozess ein unfaires Verhalten des Richters geltend gemacht, ist hierfür zunächst ein Befangenheitsantrag zu stellen. Dieser stellt das vorrangige Rechtsmittel dar, „wenn die innere Haltung eines Richters seine erforderliche Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten störend beeinflussen kann“.

Bei einem solchen Befangenheitsantrag müssen die übrigen Richter oder notfalls der Gerichtspräsident darüber entscheiden, ob ein vernünftiger Verdacht dahingehend vorliegt, dass der Richter nicht neutral sein könnte. Ist dies der Fall, wird der Prozess unterbrochen und der Richter ausgewechselt, damit das Verfahren in fairer Weise weitergehen kann. Ansonsten geht der Prozess mit dem Richter weiter und endet schließlich in einem Urteil, das mit der Berufung und ggf. mit der Revision angefochten werden kann.

Wird kein Befangenheitsantrag gestellt, kann ein Verstoß gegen das Grundrecht auf faires Verfahren nicht mehr in der Revision geltend gemacht werden.

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.12.2012, 1 BvR 2550/12 (Rundfunkbeitrag und Gewissensgründe)

In dieser Entscheidung ging es um eine Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit dem Rundfunkrecht. Eigentlich hätte der Beschluss das Zeug dazu gehabt, große Bedeutung über den Einzefall hinaus zu entfalten. Dazu kam es aber leider nicht.

Worum ging es bei der Verfassungsbeschwerde?

Ein gläubiger Christ wollte sich aus Religions- und Gewissensgründen von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen.
Ein gläubiger Christ wollte sich aus Religions- und Gewissensgründen von der Rundfunkbeitragspflicht befreien lassen.
Im Jahr 2012 stand eine Neuregelung des Rundfunkrechts vor der Tür: Bis dahin wurde der staatliche Rundfunk (ARD, ZDF und Co.) durch Rundfunkgebühren finanziert. Diese musste nur zahlen, wer über ein Rundfunkempfangsgerät verfügte. Da praktisch jeder Bürger mittlerweile einen Fernseher, ein Radio oder – von zunehmender Bedeutung – einen Computer oder ein internetfähiges Mobiltelephon besaß, sollte diese Finanzierung auf Beiträge umgestellt werden. Mit diesen sollte jeder zur Zahlung herangezogen werden, der eine eigene Wohnung hat.

Dies betraf auch den Verfassungsbeschwerdeführer, der als gläubiger Christ solche Medien ablehnte und bislang mangels Empfangsgeräten keinen Rundfunkbeitrag zahlen musste. Die neue „Wohnungsabgabe“ dagegen musste auch er zahlen. Daher hat er die Neuregelung vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten, genauer gesagt Verfassungsbeschwerde gegen das entsprechende Zustimmungsgesetz seines Landtags (Baden-Württemberg) eingelegt.

Wie hat der Kläger die Verfassungsbeschwerde begründet?

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BGH, Beschluss vom 18.05.2009, IV ZR 57/08 (Würdigung von Privatgutachten durch den BGH)

Auch ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten ist für den BGH ein wichtiges Beweismittel.
Auch ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten ist für den BGH ein wichtiges Beweismittel.
Gerichte berufen häufig Sachverständige, um Fachfragen zu klären. Dies geht sogar so weit, dass mittlerweile von Gutachtern als „heimlichen Richtern“ gesprochen wird. Wer dem vom Gericht bestellten Gutachter widersprechen will, kann ein Privatgutachten in Auftrag geben.

In diesem Urteil geht es darum, wie die Rechtsprechung mit solchen Privatgutachten umgeht und wie vor allem das Gericht einen Widerspruch zwischen den Meinungen zweier Sachverständiger auflösen muss.

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28.04.2021, 1 BvQ 41/21

Der Verfassungsbeschwerdeführer hatte im Instanzverfahren eine einstweilige Verfügung gegen eine bestimmte Äußerung beantragt, die von den zuständigen Gerichten jedoch abgelehnt wurde. Er hatte bis dahin nur das Eilverfahren, nicht aber das Hauptverfahren beschritten.

Nun wandte er sich an das Bundesverfassungsgericht, um die unterbliebene einstweilige Verfügung doch noch zu erhalten. Dieses hielt seine Verfassungsbeschwerde für unzulässig, da der Rechtsweg nicht erschöpft sei. Er müsse zunächst auch den Weg des Hauptsacheverfahrens beschreiten und könne erst dann Verfassungsbeschwerde einlegen.

Eine Ausnahme davon bestehe nur in folgenden Fällen:

  • die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes selbst wird gerügt
  • das Hauptsacheverfahren bietet keine ausreichende Möglichkeit der Abhilfe
  • die Beschreitung des Rechtswegs in der Hauptsache ist unzumutbar ist

„Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 28.04.2021, 1 BvQ 41/21“ weiterlesen

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 14.10.2015, 4 Ws 78/15, 4 Ws 78/15 – 161 AR 23/15

Gegen eine Entscheidung im Anhörungsrügeverfahren (§ 33a StPO) ist die Beschwerde unter den allgemeinen Voraussetzungen zulässig. Das gilt aber nur für die formale Entscheidung, ob eine Gehörsverletzung erfolgt ist und deswegen die Entscheidung überprüft werden muss. Die weitere Entscheidung, ob die ursprüngliche Entscheidung nach der Nachholung des rechtlichen Gehörs abgeändert werden muss, ist dagegen nicht anfechtbar.

Trotzdem liegt hier ein erheblicher Unterschied zu den anderen Prozessordnungen: Denn im Zivilverfahren, im Verwaltungsverfahren usw. ist die Gehörsrüge-Entscheidung nicht anfechtbar. Hier bleibt nur die Verfassungsbeschwerde.