Urteilssammlung: Das BVerfG zum Namensrecht

Die Namensvergabe spielt sich vor allem im Familienrecht ab, hat aber auch verfassungsrechtliche Relevanz.
Die Namensvergabe spielt sich vor allem im Familienrecht ab, hat aber auch verfassungsrechtliche Relevanz.
Heute mal wieder eine Urteilssammlung. Dabei geht es um die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung rund um den Namen.

Auf den ersten Blick ist es vielleicht etwas verwunderlich, dass damit überhaupt die Gerichte zu tun haben – man heißt nun einmal, wie man heißt. Tatsächlich beinhaltet der Name einer Person durchaus Konfliktpotential. Juristische Probleme können unter anderem in folgenden Konstellationen passieren:

  • Vergabe des Vornamens an ein neugeborenes Kind
  • Weitergabe des Familiennamens an ein neugeborenes Kind
  • Annahme eines Ehenamens nach der Hochzeit
  • Annahme eines neuen Familiennamens bei Adoption
  • Wunsch nach einer Namensänderung

Funktion des Namens

In seiner Leitentscheidung zum Namensrecht aus dem Jahr 2001 hat sich das Bundesverfassungsgericht in prägnanter und umfassender Form mit verschiedenen Funktionen des Namens einer Person auseinandergesetzt und seine bisherige Rechtsprechung zusammengefasst.

In 1 BvR 1646/97, 11.04.2001 heißt es ganz grundsätzlich:

Der Name eines Menschen ist Ausdruck seiner Identität sowie Individualität und begleitet die Lebensgeschichte seines Trägers, die unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erstreckt sich der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die engere persönliche Lebenssphäre, die Selbstdarstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit, seinen sozialen Geltungsanspruch sowie seine soziale Identität (zum Inhalt des grundrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit. Im Rahmen dessen hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt festgestellt, dass der Name eines Menschen nicht nur als Unterscheidungs- und Zuordnungsmerkmal dient, sondern darüber hinaus Ausdruck seiner Identität und Individualität ist und vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst wird.

Man ist eben der, dessen Namen man trägt. Dass ein bekannter Fußballer Franz Beckenbauer heißt, dient nicht nur dazu, ihn von Paul Breitner unterscheiden zu können. Sondern man verbindet mit dem Namen nicht lediglich eine Person, sondern eine ganze Persönlichkeit einschließlich ihrer Biographie.

Daher schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das als Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird, auch den Namen einer Person.

Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht aber auch eine familiäre Komponente des Familiennamens bekräftigt (1 BvL 23/96, 30.01.2002):

Das Familiennamensrecht zu konstituieren und auszugestalten, ist Sache des Gesetzgebers. Die Funktion des Familiennamens muss sich nicht allein darin erschöpfen, dem Einzelnen Ausdruck seiner Besonderheit zu geben. Vielmehr kann der Familienname auch dazu dienen, mit ihm Abstammungslinien nachzuzeichnen, familiäre Zusammenhänge darzustellen oder den Familienstatus eines Menschen zu verdeutlichen.

Wichtig ist insoweit aber, dass die genaue Ausgestaltung „Sache des Gesetzgebers“ ist. Es müssen also die verfassungsrechtlichen Rahmenanforderungen beachtet werden, die genaue Ausgestaltung kann dann aber mit gewissem Spielraum durch den Gesetzgeber erfolgen.

Sonderfälle

Neben diesen in großem Umfang relevanten Fragen gibt es aber auch noch sehr spezielle Konstellationen.

In der Entscheidung 1 BvR 1646/97 (Beschluss vom 11.04.2001) hatten die Behörden fälschlicherweise den indischen Namenszusatz „Singh“ als Familiennamen behandelt. Nun war die Frage, ob dieser formal falsche Name einen grundrechtlichen Schutz auch gegen eine Korrektur besaß. Das Bundesverfassungsgericht bejahte dies:

Auch der tatsächlich geführte Name ist jedenfalls dann vom Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst, wenn er über einen nicht unbedeutenden Zeitraum die Persönlichkeit des Trägers tatsächlich mitbestimmt hat und ein entsprechender Vertrauenstatbestand vorliegt. Dagegen muss das öffentliche Interesse an der Richtigkeit von Eintragungen in Personenstandsurkunden abgewogen werden.

Wenn jemand also auf die Dauer mit einem Namen verbunden ist, dann ist es sein Name und er ist mit seiner Persönlichkeit so eng verknüpft, dass die Verletzung von Namensregeln demgegenüber nicht so bedeutend ist.

Eine andere Problematik ist diejenige, dass der Vorname auch die Identifikation des Geschlechts ermöglichen muss. Dies wird dann relevant, wenn ein Vorname sowohl von Männern als auch von Frauen getragen wird oder der Vorname keinem Geschlecht zuzuordnen ist.

In 1 BvR 576/07 vom 05.12.2008 heißt es dazu:

Soweit dem Namen für die Persönlichkeit des Kindes Bedeutung zukommt, weil er dem Kind hilft, seine Identität zu finden und seine Individualität zu entwickeln, ist von einer Gefährdung des Kindeswohls allenfalls dann auszugehen, wenn der gewählte Name dem Kind offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise die Möglichkeit bietet, sich anhand des Namens mit seinem Geschlecht zu identifizieren

Die Anforderungen für die Ablehnung eines nicht-geschlechtsspezifischen Vornamens sind also sehr hoch. Erst, wenn es wirklich keine Möglichkeit gibt, aus dem Namen auf das Geschlecht des Namensträgers zu schließen, kann er abgelehnt werden.

Hier wurde es für ausreichend erachtet, dass der Vorname sowohl männlich als auch weiblich sein kann. Eine Beifügung weiterer Vornamen, der in diesen Fällen normal sei, sei hier ausnahmsweise nicht zwingend, weil dies kulturell unüblich sei.

Recht der Eltern

Im Zusammenhang mit der letzten Entscheidung wird auch bereits eine weitere Problematik angesprochen: Wir suchen uns unsere Namen nicht selber aus, sondern sie werden uns gegeben, in aller Regel von den Eltern.

Das Bundesverfassungsgericht (1 BvR 994/98, 28.01.2004) musste sich daher damit auseinandersetzen, ob das Namensbenennungsrecht der Eltern auch verfassungsrechtlich geschützt ist:

Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet kein Bestimmungsrecht über einen anderen Menschen. Dies gilt auch für Eltern im Verhältnis zu ihren Kindern. Das Recht, ihren Kindern einen Namen zu geben, ist Eltern grundrechtlich nicht im Interesse eigener Persönlichkeitsentfaltung, sondern allein im Rahmen ihrer Sorgeverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 GG im Interesse ihrer Kinder eingeräumt.

Das Bundesverfassungsgericht hat also zunächst klargestellt, dass die Namensgebung weder unter die allgemeine Handlungsfreiheit noch unter das Persönlichkeitsrecht der Eltern fällt. Es gehört aber zu ihrem Elternrecht, das sie wiederum auch im Interesse des Kindes ausüben müssen.

Weiter präzisiert wurde dieses Prinzip in der Entscheidung 1 BvR 576/07 vom 05.12.2008:

Das mit Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des Kindes, welches auch das Recht auf Erhalt des Namens und dessen Schutz umfasst, steht in einem besonderen Verhältnis zum Recht seiner Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Das Elternrecht ist ein Recht im Interesse des Kindes und damit als ein treuhänderisches Recht anzusehen. Der Entscheidung der Eltern kommt für die Persönlichkeit des Kindes deswegen Bedeutung zu, weil der Name ihm verhilft, seine Identität zu finden und seine Individualität zu entwickeln.

Die Eltern geben den Namen also nicht nur aus eigener Inspiration, sondern auch und gerade im Interesse des Kindes.

Namensänderung

Zur Frage der Namensänderung hat das BVerfG schließlich entschieden (1 BvR 1646/97, 11.04.2001):

Geschützt durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist der Name eines Menschen, der Ausdruck der Identität sowie Individualität des Namensträgers ist und sich als solcher nicht beliebig austauschen lässt. Er begleitet vielmehr die Lebensgeschichte seines Trägers, die unter dem Namen als zusammenhängende erkennbar wird. Der Einzelne kann daher grundsätzlich verlangen, dass die Rechtsordnung seinen Namen respektiert und schützt. Eine Namensänderung beeinträchtigt die Persönlichkeit und darf nicht ohne gewichtigen Grund gefordert werden. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

Aufgrund der beschriebenen Bedeutung des Namens muss dieser auch eine dauerhafte Beständigkeit haben. Zur Namensänderung kann man daher nur ausnahmsweise gezwungen werden. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit sind die großen Auswirkungen der Namensänderung auf die Person zu beachten, sodass schon sehr bedeutende Gründe dafür vorliegen müssen.

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