Offizielle Leitsätze:
Ein Stellen von Vertragsbedingungen liegt nicht vor, wenn die Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Vertrag auf einer freien Entscheidung desjenigen beruht, der vom anderen Vertragsteil mit dem Verwendungsvorschlag konfrontiert wird.
Dazu ist es erforderlich, dass er in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 17. Februar 2010 – VIII ZR 67/09, BGHZ 184, 259). Danach entfällt ein Stellen von Vertragsbedingungen nicht bereits dann, wenn die vorformulierten Vertragsbedingungen dem anderen Vertragsteil mit der Bitte übersandt werden, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen.
Eine Vertragsstrafenvereinbarung in einem Formularvertrag über die Lieferung von Arzneimitteln, die für Vertragsverletzungen von erheblich unterschiedlichem Gewicht ein und denselben Betrag vorsieht, ist nur wirksam, wenn dieser auch angesichts des typischerweise geringsten Vertragsverstoßes noch angemessen ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 – VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233).
Erläuterungen:
Grundsätzlich können die Vertragsparteien vereinbaren, was sie möchten, das Gesetz schränkt sie nur in den seltensten Fällen ein (Privatautonomie). Sind Vertragsklauseln aber als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu beurteilen, unterliegen diese einer eingehenden richterlichen Kontrolle. Um AGB zu sein, müssen die Klauseln nicht im bekannten „Kleingedruckten“ stehen, auch eine anders gestaltete mehrfache Verwendung und sogar die bloße Absicht dazu reichen aus.
Keine AGB sind aber gegeben, wenn die Vorschriften individuell ausgehandelt sind und nicht einseitig von einer Partei „gestellt“ werden (§ 305 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BGB). Damit könnte man nun meinen, dass es ausreicht, seine AGB der Gegenseite zu übersenden und dieser die Gelegenheit zu Änderungen und Ergänzungen zu geben. Damit wäre die AGB schon nicht gestellt, jedenfalls aber (sofern man ernsthaft ein eigenes Nachgeben in Erwägung zieht) individuell ausgehandelt.
Erforderlich hierfür ist nach Ansicht des BGH, der Vertragspartner „in der Auswahl der in Betracht kommenden Vertragstexte frei ist und insbesondere Gelegenheit erhält, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung in die Verhandlungen einzubringen“.
Die bloße Bitte, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen, lässt die Verwendereigenschaft der Klägerin nicht entfallen. Denn eine solche Bitte ermöglich es dem Gegenüber noch nicht, eigene Alternativvorschläge einzubringen. Vielmehr ändern reine „Wünsche“ noch nichts an der alleinigen Gestaltungsmacht des Verwenders.
Wer also aus der „AGB-Falle“ entkommen will, muss ganz erhebliche Anstrengungen unternehmen. Unter Umständen kann es helfen, eigene Bedingungen als Entwurf gekennzeichnet zu übersenden, diese als bloße Diskussionsgrundlage zu bezeichnen und ausdrücklich um eigene Formulierungen der Gegenseite zu bitten. Dabei muss klar sein, dass man selbst alle Klauseln zur Disposition stellt und bereit ist, darüber zu verhandeln, welche Klausel in welcher Form Bestandteil des Vertrags werden soll. Dass tatsächlich einzelne Klauseln abgeändert wurden, hat noch keine Auswirkungen auf die Frage, ob andere Klauseln des Vertrags nicht doch als gestellt anzusehen sind.
Und auch dann ist es immer noch äußerst unsicher, ob das Gericht dies anerkennt. Jedenfalls bei einem erheblichen wirtschaftlichen Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien oder einer gesetzlich vertypten besonderen Schutzbedürftigkeit (z.B. Mieter/Vermieter oder Arbeitnehmer/Arbeitgeber) dürfte es sehr schwer werden, das Gericht zu überzeugen, dass ein Verhandeln auf Augenhöhe stattfand und die andere Seite nicht faktisch dazu gezwungen war, die Bedingungen ohne größeren Widerspruch zu akzeptieren.
Besonders bei wichtigen Verträgen ist daher stets zu einer Formulierung durch den Rechtsanwalt zu raten, der die mittlerweile umfangreiche AGB-Rechtsprechung beachtet und alle Klauseln darauf überprüft, welcher Inhalt noch zulässig ist und durch welche Gestaltung man die gewünschte Regelung noch am ehesten durchsetzen kann.
1 Gedanke zu „BGH, Urteil vom 20.01.2016, VIII ZR 26/15“
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