LG Berlin, Urteil vom 16.06.2016, 67 S 76 / 16 (Mietminderung wegen Baulärms)

Baulärm gehört zu den Klassikern der Mietmängel und führt häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Insbesondere, wenn nicht der Vermieter selbst, sondern ein Nachbar für den Lärm verantwortlich ist, stellt sich oft die Frage, warum der Mieter überhaupt mindern darf.

Das Berliner Landgericht hat sich in seinem Urteil Az. 67 S 76/16 vom 16. Juni 2016 wieder einmal damit auseinandergesetzt:

Stellt Baulärm einen Mangel dar?

Ja, denn durch den Lärm (und zusätzlich, wie in diesem Fall, Erschütterungen und Staubentwicklung in Folge der Bauarbeiten) ist die Tauglichkeit der Wohnung zumindest nicht unerheblich gemindert (§ 536 Abs. 1 BGB).

Der Vermieter hat aber sicher nicht dafür garantiert, dass nirgends in der Gegend gebaut wird.

Das ist unerheblich. Der übliche Standard einer Wohnung ist es, dass keine Baumaßnahmen in unmittelbarer Nähe stattfinden. Dieser Normalstandard gilt als mit dem Mietvertrag schlüssig vereinbart.

Gilt das auch in Großstädten?

Ja, der hier streitgegenständliche Fall spielte ja in Berlin, noch dazu in Berlin-Mitte. Wenngleich die Bautätigkeit in Innenstadtbereichen unter Umständen höher sein mag, sind doch die meisten Wohnungen nicht davon betroffen, somit ändert dies nichts daran, dass der vertraglich vorausgesetzte Standard eben eine ruhige Wohnung ist.

Warum haftet der Vermieter, obwohl er nichts dafür kann, dass ein Nachbar baut?

Der Vermieter haftet nicht im eigentlichen Sinne, § 536 sagt vielmehr, dass sich die Miete stets am tatsächlichen Mietwert der Sache orientieren muss. Ob der Vermieter eine Verminderung der Tauglichkeit zu vertreten hat, spielt keine Rolle. Nur bei Mängeln, die der Mieter selbst herbeigeführt hat, scheidet die Minderung grundsätzlich aus.

Muss ein Mieter nicht damit rechnen, dass es auch einmal laut wird?

Grundsätzlich kann der Mieter darauf vertrauen, dass die Wohnung während der gesamten Mietdauer im vereinbarten Zustand bleibt. Hier war aber die Besonderheit gegeben, dass die Baulücke in der Umgebung erkennbar war. Es war also anzunehmen, dass hier früher oder später ein Haus errichtet würde.

Allerdings sind die Mängelansprüche des Mieters nur ausgeschlossen, wenn er den Mangel kennt (§ 536b Satz 1 BGB) oder er ihn grob fahrlässig übersehen hat (§ 536b Satz 2). Beides lag hier im Ergebnis nicht vor. Das Übersehen einer Baulücke begründet allenfalls leichte Fahrlässigkeit, die für einen Ausschluss nach § 536b nicht ausreicht.

Wie hoch ist die Mietminderung bei Baulärm?

Das lässt sich allgemein nicht sagen, es kommt immer auf die Dauer und Intensität der Arbeiten an. Die Spanne bewegt sich in der Regel zwischen 10 und 25 %.

In diesem Fall wurden ca. 20 % zugesprochen. Allerdings ging es hier auch um „Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende“.

Hätte der Vermieter den Bau unterbinden können?

Wahrscheinlich nicht, darauf kommt es aber auch nicht an, da den Vermieter eben kein Verschulden treffen muss.

In der Regel müssen Nachbarn aber Bauvorhaben hinnehmen, die innerhalb der Immissionsschutz- und anderer Grenzwerte durchgeführt werden.

Bestehen Schadenersatzansprüche des Vermieters gegen den Nachbarn?

Normalerweise nicht, da dieser rechtmäßig gehandelt hat. Für rechtmäßiges Handeln muss in aller Regel kein Schadenersatz geleistet werden. Es gibt keine Anspruchsgrundlage für einen Regress.

Wie kann ein Vermieter eine solche Mietminderung im Vorhinein verhindern?

Wenn sich konkrete Baumaßnahmen bereits absehen lassen, können diese in den Mietvertrag aufgenommen werden. Damit wird die Beschaffenheit der Wohnung vertraglich vereinbart, wenn dann tatsächlich gebaut wird, weicht dieser Zustand nicht vom vereinbarten Zustand der Wohnung ab, ein Mangel ist also nicht gegeben.

Allerdings bestehen hierfür enge Grenzen. Denn gemäß § 536 Abs. 4 BGB kann die Mietminderung nicht ausgeschlossen werden. Würde also im Vertrag stehen, dass in der ganzen Nachbarschaft gebaut wird und daher immer mit Lärm zu rechnen ist, so wäre dies ziemlich sicher ungültig, da es wie ein Ausschluss des Mietminderungsrechts wirken würde.

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