BGH, Urteil vom 14.03.1990, XII ZR 62/89

Die Wertsteigerung von Nachlassvermögen, die während des Güterstandes durch das allmähliche Absinken des Werts eines vom Erblasser angeordneten lebenslangen Nießbrauchs eintritt, unterliegt nicht dem Zugewinnausgleich.

Hintergrund:

Im deutschen Eherecht gilt, sofern nichts anderes vereinbart ist, der Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Dieser sieht vor, das jeder Ehegatte sein vorheriges Vermögen während und nach der Ehe für sich behält. Gleichzeitig geht dieser Güterstand davon aus, beide Ehegatten in gleicher Weise am Vermögenserwerb beteiligt waren, unabhängig davon, wer von beiden einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und wer sich um den Haushalt gekümert hat. Im Fall einer Scheidung sollen daher beide Ehegatten den gleichen Zugewinn aus der Ehezeit erhalten. Hat sich zwischen Hochzeit und Scheidung das Vermögen des Mannes um 100.000 Euro erhöht, das der Frau aber nur um 20.000 Euro, so muss er ihr 40.000 Euro zahlen, sodass im Endeffekt beide bei einem Plus von 60.000 Euro landen.

Hiervon gibt es aber gewisse Ausnahmen. Macht bspw. einer der beiden Ehegatten eine Erbschaft, so würde dies bedeuten, dass er die Hälfte dieser Erbschaft an den Ehegatten ausbezahlen müsste, da sie seinen Zugewinn erhöht. Dabei hat die Erbschaft aber nichts mit dem anderen Ehegatten zu tun und die Frage, ob sie in den Zugewinn fällt, hängt völlig vom Zufall ab: Irgendwann erbt der Erbe (fast) immer, und wenn das nun am Tag vor der Hochzeit oder am Tag nach Erhebung der Scheidungsklage geschieht, darf er das Erbe ohne Ausgleichszahlung an den Ehegatten für sich behalten. Dies wird dadurch verhindert, dass man die Erbschaft immer zum Anfangsvermögen hinzuzählt, auch wenn sie während der Ehe geschehen ist, sodass kein Zugewinn stattfindet. Dies bezeichnet man als „privilegiertes Anfangsvermögen“.

Was allerdings schon dem Zugewinnausgleich unterliegt, ist die Wertsteigerung des Grundstücks im Laufe der Ehe. Dass der Ehegatten deswegen reicher wird, weil die Immobilienpreise laufend steigen, ist Teil des ehelichen Erwerbs und steht beiden Ehegatten jeweils hälftig zu. War das Grundstück also zum Beginn der Ehe (inflationsbereinigt) 500.000 Euro, am Ende aber 600.000 Euro wert, so stellen zwar nicht die 600.000 Euro, aber zumindest die Wertdifferenz von 100.000 Euro einen Zugewinn dar, der dem Ehepartner mit 50.000 Euro auszugleichen ist.

Soweit nur zum Grundverständnis des Zugewinnausgleichs – wer dies genauer nachlesen will, dem seien folgende Artikel ans Herz gelegt (via Sie hören von meinem Anwalt):

Das Urteil: Keine Berücksichtigung einer Wertminderung durch Nießbrauch

Nun stellt sich aber noch ein erhebliches Praxisproblem, das der Kernpunkt dieses BGH-Urteils war:

Häufig warten Eltern nicht bis zum Erbfall (also zum eigenen Tod), um ihren Kindern etwas zuzuwenden. Vielmehr werden gerade Grundstücke und andere größeren Vermögenswerte schon vorher übertragen. Um sich abzusichern, behalten sich die Eltern aber gern gewisse Rechte vor, z.B. ein Wohnrecht, den Nießbrauch oder eine Leibrente. Diese Rechte mindern selbstverständlich den Wert des Grundstücks, da der neue Eigentümer nun eben nicht nach seinem Belieben darüber verfügen kann.

Sobald der Schenker stirbt, fallen diese Rechte aber in aller Regel weg, da sie nur an seine Person gebunden sind. Das Grundstück ist also auf einmal deutlich mehr wert. Aber nicht nur das vollständige Wegfallen des Rechts durch den Tod des Berechtigten wäre zu berücksichtigen, sondern auch der Zeitablauf, der dazu führt, dass sich die statistische weitere Lebenserwartung des Schenkers allmählich verringert (Juristen sind in solchen Dinge manchmal sehr kühl). Der Ehegatte war nun der Auffassung, diese Wertsteigerung stelle einen Zugewinn dar, der beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen sei.

Privilegierung erstreckt sich auch auf zwangsläufige Werterhöhungen

Dem folgte der Bundesgerichtshof aber nicht. Grund für die Regelungen über das privilegierte Anfangsvermögen sei die persönliche Beziehung zwischen dem Schenker/Erblasser und dem Beschenkten/Erben. Die Tatsache, dass die zurückbehaltenen Rechte bei der Schenkung unter Vorbehalten von begrenzter Dauer sind, sei Teil dieser Zuwendung. Diese Aussichten wolle der Schenker aber vollständig dem Beschenkten zuwenden, nicht auch hälftig dessen Ehegatten.

Bei der Herausrechnung ist der BGH recht pragmatisch: Die Wertminderung durch die vorbehaltenen Rechte wird einfach völlig ignoriert, sowohl beim Anfangs- als auch beim Endvermögen.

Aber: Keine Doppelberücksichtigung von Leibrentenzahlungen

Ein weiteres Problem ergäbe sich dann aber bei den Vereinbarung einer Leibrente. Hier zahlt der begünstigte Ehegatte an den Schenker regelmäßig einen gewissen Betrag, damit dieser sein Auskommen hat. Das bedeutet dann aber, dass sich das Vermögen des Begünstigten und damit auch sein Zugewinn verringert. Seine Ehegatte würde also im Rahmen des Zugewinnausgleichs die Hälfte der Leibrentenzahlungen übernehmen – obwohl er andererseits von der Schenkung gerade nicht profitieren soll. Der Beschenkte hätte also einen doppelten Vorteil.

Wie dies aufzulösen ist, hat der BGH im Urteil Az. XII ZR 8/05 vom 22.11.2006 entschieden. Dieses Urteil werden wir in einigen Tagen hier besprechen.

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