Verfahren:
- Bund-Länder-Streit
- Antragsteller: Hamburg, Hessen
- Antragsgegner: Bundesrepublik
Vorgeschichte:
- Die Landesrundfunkanstalten unter Einfluss der Länder bestanden bereits seit der Anfangszeit der Bundesrepublik.
- Die Bundesregierung plante nun, ein eigenes öffentlich-rechtliches Fernsehen (Deutschland-Fernsehen-GmbH) anzubieten, das auf Bundesebene organisiert sein sollte.
Urteil:
- Der Bund hat durch die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH gegen Artikel 30 in Verbindung mit dem VIII. Abschnitt des Grundgesetzes sowie gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens und gegen Artikel 5 des Grundgesetzes verstoßen.
Begründung:
- Der Bund hat keine Gesetzgebungskompetenz für das Rundfunkrecht. Eine derartige Kompetenz ergibt sich weder aus der Zuständigkeit für das Post- und Fernmeldewesen noch aus Art. 5 GG noch aus der überregionalen Natur des Rundfunks noch aus der Repräsentation des Gesamtstaats durch den Bund.
- Die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) stellt umfangreiche Anforderungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbetrieb:
- Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG untersagt es, „die Presse oder einen Teil von ihr unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern. Eine Einflußnahme des Staates wäre mit dieser verfassungsmäßigen Garantie der Pressefreiheit nur vereinbar, wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem Bild der freien Presse substantiell nichts ändern würde.“
- „Der Unterschied zwischen Presse und Rundfunk besteht aber darin, daß innerhalb des deutschen Pressewesens eine relativ große Zahl von selbständigen und nach ihrer Tendenz, politischen Färbung oder weltanschaulichen Grundhaltung miteinander konkurrierenden Presseerzeugnissen existiert, während im Bereich des Rundfunks sowohl aus technischen Gründen als auch mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen die Zahl der Träger solcher Veranstaltungen verhältnismäßig klein bleiben muß.“
- „Art. 5 GG verlangt jedenfalls, daß dieses moderne Instrument der Meinungsbildung weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Die Veranstalter von Rundfunkdarbietungen müssen also so organisiert werden, daß alle in Betracht kommenden Kräfte in ihren Organen Einfluß haben und im Gesamtprogramm zu Wort kommen können, und daß für den Inhalt des Gesamtprogramms Leitgrundsätze verbindlich sind, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten. Das läßt sich nur sicherstellen, wenn diese organisatorischen und sachlichen Grundsätze durch Gesetz allgemein verbindlich gemacht werden. Art. 5 GG fordert deshalb den Erlaß solcher Gesetze.“
Auswirkungen:
- Dieses Urteil hat – als erstes seiner Art – den Rundfunk in der Bundesrepublik maßgeblich juristisch geprägt. Die bis heute anhaltende Organisation des Rundfunks über Staatsverträge zwischen den Ländern wurde durch Ablehnung einer Bundeskompetenz vorgegeben.
- Zudem wurde aber auch die Bedeutung der Rundfunkfreiheit näher definiert. Interessant ist vor allem, dass eine Staatspresse als unzulässig angesehen wird, Staatsrundfunk jedoch – soweit auch andere gesellschaftliche Gruppen Einfluss erhalten – als zulässig beurteilt wird. Der Unterschied liege darin, dass die Zahl der Rundfunkanbieter naturgemäß begrenzter sei. Dass dies im Zeitalter verschiedenster Ausstrahlungsmöglichkeit bis hin zum Internet noch zutrifft, darf bezweifelt werden.