The Sunday Times gegen Vereinigtes Königreich – Art. 10 EMRK
Die britische Zeitung Sunday Times berichtete über die Schadenersatzklagen der betroffenen Familien gegen das herstellende Unternehmen. Dabei veröffentlichte sie auch außergerichtliche Vergleiche zwischen den Klägern und der Beklagten.
Gericht verbot Berichterstattung über außergerichtliche Vergleiche
Daraufhin untersagte eines der zuständigen Gerichte der Zeitung die weitere Berichterstattung. Hiergegen klagte die Sunday Times vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen ihrer Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK).
Artikel 10 der EMRK erlaubt grundsätzlich auch Einschränkungen der Meinungsfreiheit durch Gesetz. Hier war schon fraglich, ob überhaupt ein Gesetz in diesem Sinne vorlag. Denn die Rechtsgrundlage des Gerichts war die allgemeine, traditionelle Bestimmung des „contempt of court“, also Missachtung des Gerichts. Ob ein Bericht über eine Vergleichsverhandlung überhaupt eine Missachtung darstellen kann, war bereits unsicher. Der EGMR war allerdings der Meinung, dass die Zeitung zumindest hätte ahnen können, dass dies nach britischem Prozessrechtsverständnis unter diese Rechtsfigur fallen könnte.
Geheimhaltungsinteresse überwiegt nicht gegenüber Pressefreiheit
Allerdings musste auch hier eine Abwägung zwischen der konventionsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit einerseits und den Interessen des Staates andererseits stattfinden. Der EGMR war jedoch nicht der Meinung, dass dies ausreiche, um der Presse ihre Berichterstattung zu verbieten. Denn auch die Funktionsfähigkeit der Presse sei ein öffentlicher Belang, der hier zu beachten wäre. Nach alldem falle die Abwägung jedenfalls nicht so deutlich zu Gunsten des Staates aus, dass das Verbot gegenüber der Zeitung gerechtfertigt sei.