LG Tübingen, Beschluss vom 03.08.2017, 5 T 121/17, 20/17, 141/17, 122/17, 280/16, 246/17

children-403582_1920Das Landgericht Tübingen, insbesondere dessen 5. Zivilkammer durch Einzelrichter Dr. Sprißler, hat schon mehrfach bürgerfreundliche Entscheidungen in Rundfunkbeitragssachen gefällt. Über zwei Beschlüsse habe ich hier schon geschrieben:

Zu letzterer Entscheidung hatte ich angesichts der ausführlichen Begründungen gemutmaßt, dass das Gericht eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht plant. Tatsächlich ist nun eine Vorlage erfolgt – allerdings an den Europäischen Gerichtshof. Was zunächst noch ein Gerücht war, hat sich nun bestätigt, da die Beschlussausfertigung vorliegt.

hammer-719066_640Die Vorlageentscheidung gemäß Art. 267 AEUV funktioniert so, dass das Gericht abstrakte rechtliche Fragen an den EuGH stellt, deren Beantwortung für die Entscheidung des konkreten Falls notwendig ist. Das nationale Gericht fragt also das europäische Gericht, wie Europarecht auszulegen ist.

Hier werden sieben Fragen formuliert, die man wie folgt zusammenfassen kann:

  1. Verstößt das baden-württembergische Zustimmungsgesetz zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gegen Unionsrecht, weil die Beiträge nur staatlichen, nicht aber privaten Rundfunkanstalten zugute kommen? Hätte ein solches Gesetz der Zustimmung der EU-Kommission bedurft?
  2. Ist die Verwendung von Beitragsgelder zur Schaffung eines DVB-T2-Übertragungswegs nur für deutsche Sender europarechtswidrig?
  3. Ist es europarechtswidrig, dass öffentlich-rechtliche Sender ihre Forderungen selbst titulieren und unmittelbar eintreiben lassen können, während private Pay-TV-Sender den Klageweg beschreiten müssen?
  4. Ist es mit dem Informationsfreiheitsrecht aus Art. 10 EMRK und Art. 4 der Grundrechtscharta vereinbar, dass jeder Bürger einen Beitrag zur Finanzierung bestimmter Sender leisten muss?
  5. Ist es mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, dass für jeden Haushalt genau ein Beitrag zu zahlen ist und dadurch die Beitragshöhe pro Person völlig unterschiedlich hoch sein kann?
  6. Ist es mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, dass Personen, die aus beruflichen Gründen einen zweiten Wohnsitz innehaben müssen, einen doppelt so hohen Beitrag zahlen?
  7. Ist es mit dem Diskriminierungsverbot vereinbar, dass sich die Beitragspflicht nach dem Wohnsitz im Inland richtet, obwohl man vom Ausland aus auch deutsche Sender empfangen kann?

Damit hat das LG Tübingen den Weg für eine ernsthafte Überprüfung der Rundfunkstaatsverträge geebnet. Wie der Europäische Gerichtshof entscheidet, bleibt abzuwarten. Die Begründung ist aber sehr durchdacht und wird den EuGH dazu zwingen, sich mit der Thematik eingehend auseinanderzusetzen.

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