OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2014, 1 RVs 82/14

Auch bei geringem Schaden kann ein Diebstahl zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung führen. Das Urteil ist nicht spektakulär, es bestätigt vielmehr die bisherige obergerichtliche Rechtsprechung und auch die tägliche Spruchpraxis der Amtsgerichte.

Der Diebstahl einer geringwertigen Sache (hier: eine Flasche Wodka im Wert von 4,99 Euro) bedeutet bei einem Ersttäter, dass – je nach Staatsanwaltschaft – das Verfahren (ggf. gegen Auflagen) eingestellt wird oder ein Strafbefehl im unteren Bereich (ca. 10 Tagessätze, also ein Drittel eines Monatsgehalts) ergeht. In beiden Fällen gilt man als nicht vorbestraft, ins Gefängnis kommt man erst recht nicht.

Ganz anders ist es dagegen, wenn man vorbestraft ist, insbesondere mehrfach, insbesondere einschlägig. Während man vielleicht auch bei der zweiten oder dritten Tat noch mit einer mäßigen Geldstrafe rechnen kann, wird es danach relativ schnell auf eine Bewährungsstrafe und schließlich auf eine unbedingte Freiheitsstrafe hinauslaufen.

Denn schließlich steht (zumindest theoretisch) auch bei jedem noch so geringen Diebstahl der volle Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zur Verfügung. Die konkrete Strafzumessung berücksichtigt dann zwar immer noch den minimalen Schaden, allerdings wird man bei der Wahl zwischen Geld- und Freiheitsstrafe leicht zu einer Freiheitsstrafe kommen.

Zwar soll eine kurze Freiheitsstrafe gemäß § 47 Abs. 1 StGB nicht verhängt werden, da bei Bagatellkriminalität die Geldstrafe den Vorrang genießt. Dies gilt aber dann nicht, wenn „besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen.“ Und dies ist eben unerlässlich, wenn jemand permanent beim Stehlen erwischt wird.

Als nächstes ist bei einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu beachten, dass diese zur Bewährung ausgesetzt wird, „wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird“ (§ 56 Abs. 1 StGB). Dass der Täter durch eine Bewährungsstrafe nicht ausreichend gewarnt wird, zeigt er wieder dadurch, dass er Wiederholungstäter ist.

OLG Nürnberg, Urteil vom 23.07.2012, 4 U 2315/11

Bis 2010 bestand ein staatliches Monopol auf solche Wetten, das später aber aus europarechtlichen Gründen für von Anfang an unzulässig gehalten wurde. Der Kläger betrieb jedoch ein privates Wettbüro, das gegen dieses Monopol verstieß. Als dies den Behörden bekannt wurde, wurde zum einen eine sofort vollziehbare verwaltungsrechtliche Untersagungsverfügung erlassen, zum anderen ein Strafverfahren nach § 284 StGB eingeleitet. Im Rahmen des Strafverfahrens wurden umfangreiche Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt, darunter auch die Beschlagnahme von Betriebssausstattung (u.a. der Computeranlage) der Gesellschaft, sodass diese ihre Geschäfte nicht weiterführen konnte.

Daher klagte er eine Entschädigung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) ein. Seine Klage wurde jedoch aus zweierlei Gesichtspunkten abgewiesen:

1. Zum einen ergab sich die Geschäftsaufgabe nicht nur aus den Ermittlungsmaßnahmen, sondern auch aus der behördlichen Unterlassungsverfügung. Auch, wenn die Gesellschaft ihre Computer noch hätte benutzen können, hätte sie dies nicht gedurft. Die Verfügung war zwar selbst rechtswidrig, aber sofort vollziehbar, sodass der Betrieb sofort eingestellt werden musste. Insofern waren also die Ermittlungen nicht kausal wäre den entgangenen Gewinn.

2. Zum anderen war es nicht der Kläger selbst, sondern die Gesellschaft, deren Geschäftstätigkeit betroffen war.

a) Die Gesellschaft war aber nicht Beschuldigte im Verfahren und das StrEG deckt grundsätzlich nur Schäden von Beschuldigten ab, nicht aber die von Dritten.

b) Der Kläger selbst war zwar Beschuldigter, er erlitt aber nur indirekt einen Verlust, weil die von ihm betriebene Gesellschaft nicht mehr weiterarbeiten konnte und dadurch sein Gewinnanteil geringer wurde.

c) Solche Fälle, in denen Anspruchsinhaber und ersetzbarer Schaden auseinanderfallen, werden normalerweise über die Drittschadensliquidation abgewickelt. Der Anspruchsinhaber kann dann den Schaden eines Dritten liquidieren als wäre es sein eigener. Dieses Rechtsinstitut soll hier aber nicht anwendbar sein, da das StrEG gerade nur unmittelbare Schaden erfasst und dies durch die DSL nicht unterlaufen werden soll.

Das Urteil ist äußerst restriktiv – so wie die gesamte Rechtsprechung, wenn es um Ansprüche des Bürgers gegen den Staat geht. Dass man die DSL hier für unanwendbar erklärt, weil beim Auseinanderfallen von Geschädigtem und Anspruchsinhaber kein Ersatzanspruch bestehen soll, erscheint schwer vertretbar. Denn solche Konstellationen stellen sich für den Schädiger – hier den Staat – gerade als „Geschenk des Himmels“ dar, das einer Korrektur bedarf. Diese Notwendigkeit ausgerechnet dann zu verneinen, wenn der Staat der Anspruchsgegner ist, erschließt sich nicht. Denn die Ersatzansprüche aus dem StrEG sind ja keine gnädige staatliche Gewährung, sondern eine Frage der Gerechtigkeit: Wer unschuldig zum Ziel der staatlichen Strafverfolgungsmaschinerie wurde, soll dafür zumindest soweit möglich entschädigt werden. Dies ist als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips auch verfassungsmäßig abgesichert.

BGH, Beschluss vom 15.01.2015, 2 StR 204/14

Die bloße Flucht vor der Polizei stellt keinen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) und auch sonst keine strafbare Handlung dar, hat der Bundesgerichtshof neuerlich entschieden.

§ 113 StGB stellt es unter Strafe, wenn man einen Polizisten oder anderen Vollstreckungsbeamten „mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet oder ihn dabei tätlich angreift“. Aus dieser Formulierung ergibt sich bereits, dass die Handlung in irgendeiner Form gegen die Person selbst gerichtet sein und körperlich spürbar sein muss.

Wer flieht, widersetzt sich zwar der Verhaftung oder anderen Maßnahme, leistet aber keinen gewaltsamen Widerstand. Dies gilt auch dann, wenn andere Personen bei der Flucht gefährdet oder verletzt werden, sofern hierdurch nicht gerade auf den Vollstreckungsbeamten eingewirkt werden soll.

Allerdings ist es selbstverständlich möglich, bei der Flucht andere Straftaten zu begehen, z.B. eine Sachbeschädigung, ein Straßenverkehrsdelikt oder eine fahrlässige oder vorsätzliche Körperverletzung.