Nach § 1303 BGB müssen Ehepartner mittlerweile volljährig sein. Die frühere Regelung, die ein ausnahmsweises Mindestalter von 16 Jahren vorsah, wurde 2017 geändert.
Nun ist es aber so, dass auf Ausländer auch in Deutschland ausländisches Recht für die Eheschließung anzuwenden ist. Art. 13 Abs. 1 des „Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche“ (EGBGB, auch: BGBEG) besagt:
Die Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört.
Damit sind also Ehen nach fremdem Recht auch in Deutschland gültig. Das kann bedeuten, dass auch Ehen, die völlig anderen Wertvorstellungen unterliegen, hier anerkannt werden müssen. Konkret geht es um Vielehen (ein Mann hat mehrere Ehefrauen) sowie um „Kinderehen“, bei denen mindestens ein Ehepartner noch minderjährig ist.
Nachdem vor allem diese Kinderehen mittlerweile ein Politikum geworden sind, wurde mit dem „Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen“ nicht nur die oben erwähnte Änderung von § 1303 BGB veranlasst, sondern auch nur ein zusätzlicher Absatz 3 in Art. 13 EGBGB eingeführt:
(3) Unterliegt die Ehemündigkeit eines Verlobten nach Absatz 1 ausländischem Recht, ist die Ehe nach deutschem Recht
1. unwirksam, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte, und
2. aufhebbar, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16., aber nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatte.
War einer der Ehepartner noch nicht 16, ist die ausländische Ehe also nach deutschem Recht nichtig. War er 16 oder 17, ist die Ehe zwar zunächst gültig, kann aber aufgehoben werden.
Die Nichtigkeit bzw. die Aufhebung führen dazu, dass die Ehe rechtlich gesehen nicht besteht. Aus der Ehe entstehen keine Rechte oder Pflichten mehr und die Ehepartner haben keine Vor- oder Nachteile, die gewöhnlich mit der Ehe einhergehen.
In einem familiengerichtlichen Verfahren musste sich der Bundesgerichtshof nun mit einer solchen Ehe beschäftigen. Diese wurde 2015 in Syrien geschlossen, als die Ehefrau erst 13 oder 14 Jahre alt war. Nachdem beide nach Deutschland geflohen waren, wurde das Mädchen durch das Amtsgericht Aschaffenburg unter die Vormundschaft des Jugendamts gestellt.
Für die familienrechtliche Entscheidung kommt es nun darauf an, ob die Ehe wirksam geschlossen war. Das ist nach Art. 13 Abs. 3 EGBGB sicher nicht der Fall. Der BGH ist aber der Meinung, dass er diese Vorschrift nicht anwenden darf, weil sie verfassungswidrig ist.
Dies begründet er mit folgenden Gesichtspunkten:
- Auch ausländische Ehen sind vom Grundrecht des Schutzes der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) erfasst. Die Anordnung, dass bestimmte Ehen ausnahmslos nichtig bzw. aufhebbar sind, verstößt gegen diesen Schutz. Unter anderem fehlen Regelungen zur Abwicklung einer solchen „Ehe“, vor allem hinsichtlich etwaiger Kinder. Die Aufhebung von Ehen leiste zudem der Entstehung von Doppelehen Vorschub.
- Die Vorschrift verstößt gegen den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz (Art. 20 Abs. 3 GG), da sie auch Ehen erfasst, die vor Inkrafttreten des Gesetzes gegen Kinderehen geschlossen wurden.
- Zudem liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) vor, da das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen anordnet, je nachdem, wo die Ehe geschlossen wurde und wo die Ehepartner dann gelebt haben.
- Auch der Schutz des Kindeswohls (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) als Teil des Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 GG) verbietet nach Ansicht des BGH die pauschale Nichtigkeitserklärung von Ehen. Vielmehr müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob das Festhalten an der Ehe oder die Aufhebung dem Kindeswohl diene.
Da der Bundesgerichtshof aber das bestehende Gesetz anwenden muss, kann er diese Regelungen nicht einfach ignorieren. Vielmehr muss er gemäß Art. 100 Abs. 1 GG das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes herbeiführen (sog. konkrete Normenkontrolle).
Dies ist nun geschehen – wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, wird man in einigen Monaten sehen.