LG Köln, Urteil vom 26.10.2015, 10 S 88/15

Ein Mieter kann nicht mit Verweis auf seine Persönlichkeitsrechte den Einbau von Rauchmeldern durch den Vermieter ablehnen. Zwar besteht die theoretische Möglichkeit, diese so zu manipulieren, dass die Wohnung damit überwacht werden kann. Es müssten jedoch konkrete Anhaltspunkte dafür dargelegt werden, dass dies auch im konkreten Fall droht.

Die Entscheidung wurde auch im Rahmen des folgenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2015, 1 BvR 2921/15) bestätigt.

BGH, Beschluss vom 11.10.2016, VIII ZR 300/15

Eine Eigenbedarfskündigung darf nicht auf Vorrat erklärt werden. Notwendig ist vielmehr der Wunsch der Person, die in die Wohnung einziehen soll (Bedarfsperson), diese Wohnung auch tatsächlich zu nutzen. Der Wunsch des Vermieters reicht nicht.

Im vorliegenden Fall sollte die pflegebedürftige Mutter des Vermieters in die Wohnung einziehen. Deshalb kündigte der Vermieter den Mietvertrag. Nach dem Auszug der Mieter zog die Mutter jedoch bis zu ihrem Tod einige Jahre später nicht ein.

Nach Ansicht des BGH legt dies den Schluss nahe, dass von vornherein kein Einzug beabsichtigt war. Das Landgericht muss nun in der Neuauflage des Prozesses prüfen, ob die Mutter jemals selbst die Absicht hatte, in dieser Wohnung zu leben.

VG Wiesbaden, Urteil vom 06.03.2017, 1 K 919 / 16.WI

dog-624951_640Die Hundesteuer ist eine der umstrittensten Steuern überhaupt. Angesichts ihres minimalen Ertrags ist sie weit überproportional Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass sie für viele Hundehalter nicht nur als bloße Zahlungspflicht, sondern als Angriff auf ihr Tier verstanden wird.

Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hatte sich nun mit der Rechtmäßigkeit der städtischen Hundesteuer, die zum 1. Januar 2016 von 98 auf 180 Euro erhöht worden war, auseinanderzusetzen. Im Prozess wurden viele alte und neue Argumente gegen die Hundesteuer vorgebracht:

Zulässigkeit der Hundesteuer überhaupt

Die Hundesteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer gemäß Art. 105 Abs. 2a und Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes. Das hessische Kommunalabgabengesetz sieht diese Steuer vor, daher war die Gemeinde berechtigt, die Steuer zu erheben. „VG Wiesbaden, Urteil vom 06.03.2017, 1 K 919 / 16.WI“ weiterlesen

BAG, Urteil vom 15.05.2013, 7 AZR 525/11

Die Arbeitnehmerin war zwei Jahre befristet bei einer Versicherungsgruppe beschäftigt. Da damit die Maximalzeit einer befristeten Beschäftigung gemäß § 14 Abs. 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) erreicht war, schlug ihr der Arbeitgeber vor, bei einer Zeitarbeitsfirma anzufangen, die sie dann – im Rahmen eines neuen befristeten Arbeitsvertrags – an den Arbeitgeber zurückverleihen würde. Da es sich dann um einen anderen Arbeitgeber handelt, beginnt die Dauer des Arbeitsverhältnisses wieder von vorne, die bereits vergangenen zwei Jahre gelten also nicht. Faktisch würde damit das befristete Arbeitsverhältnis fortgesetzt.

Verstoß gegen Treu und Glauben

Dies hat das Bundesarbeitsgericht als unzulässig beurteilt. Eine bewusste Umgehung der gesetzlichen Vorschriften verstoße gegen Treu und Glauben. Der Arbeitgeber kann sich also nicht auf die Vertragsklausel berufen, die die Befristung vorsieht.

„BAG, Urteil vom 15.05.2013, 7 AZR 525/11“ weiterlesen

OLG München, Urteil vom 28.04.2010, 20 U 5185 / 09

tape-measure-2157303_640Zwischen zwei Nachbarn war der Verlauf der Grundstücksgrenze streitig. Einer der Nachbarn berief sich darauf, dass er den umstrittenen Grundstücksstreifen jedenfalls gutgläubig erworben hatte, weil das von ihm gekaufte Grundstück im Kataster entsprechend ausgewiesen sei.

Daraus ergeben sich verschiedene Fragen:

Was ist das Grundbuch?

Im Grundbuch sind alle Grundstücke mit ihren rechtlichen Beziehungen verzeichnet. Das beinhaltet

  • in der ersten Abteilung: Eigentum und Erbbauberechtigung
  • in der zweiten Abteilung: Grunddienstbarkeiten, Vormerkungen und Verfügungsbeschränkungen
  • in der dritten Abteilung: Hypotheken und andere Grundschulden

„OLG München, Urteil vom 28.04.2010, 20 U 5185 / 09“ weiterlesen

VGH Bayern, Urteil vom 26.01.2009, 2 N 08.124

Eine gemeindliche Satzung über ein Vorkaufsrecht darf nicht in nichtöffentlicher Sitzung des Gemeinderats beschlossen werden. Geheimhaltungsinteressen sind hier noch nicht ersichtlich, allenfalls erst bei Ausübung des Vorkaufsrechts.

Ein Vorkaufsrecht darf erst dann festgelegt werden, wenn es bereits grob konkretisierte städtebauliche Planungsabsichten für die Grundstücke gibt. Die allgemeine Absicht, die Erschließungssituation für einen Ort irgendwann und auf irgendeine Weise zu verbessern, genügt dem nicht.

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 30.06.2014, JK I Qs 39/14 jug

Der Angeklagte wurde beschuldigt, das Opfer beleidigt und geschlagen zu haben. Das Opfer erklärte deswegen die Anschließung in Form der Nebenklage.

Im Prozess kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Körperverletzung durch Notwehr gerechtfertigt war, weil der Nebenkläger ihn zuerst angegriffen hatte. Der Angeklagte wurde nur wegen Beleidigung verurteilt.

Das Amtsgericht erlegte dem Verurteilten die Kosten der Nebenklage nicht auf, da dies unbillig wäre (§ 472 Abs. 1 Satz 2 StPO). Zwar wurde er wegen eines Delikts gegen den Nebenkläger verurteilt. Da jedoch der Nebenkläger selbst erheblichen Anteil an der Auseinandersetzung hatte, sei es gerechtfertigt, ihm die Kostentragung aufzuerlegen.

BayVGH, Beschluss vom 06.07.2007, 7 CE 07.1151

post-1934613_640Wenn ein behördlicher Brief nicht ankommt, stellt sich stets die Frage, wie damit nun zu verfahren ist. Natürlich kommt es durchaus vor, dass die Post eine Sendung irgendwo auf dem Weg verliert. Andererseits wäre es eine zu einfache Ausrede, wenn man sich immer darauf berufen könnte, der Brief sei nicht angekommen.

Über eine solche Konstellation hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vor knapp zehn Jahren (Az. 7 CE 07.1151 vom 6. Juli 2007) entschieden:

Wer trägt das Risiko, dass ein Brief verloren geht?

Grundsätzlich der Absender. Er wählt eine bestimmte Art der Sendung (z.B. einfacher Brief per Post) und nimmt so alle zwangsläufig damit verbundenen Risiken in Kauf. Wenn sich eines dieser Risiken verwirklicht, ist es sein Problem, nicht das des Empfängers.

Gibt es im Verwaltungsrecht nicht die Vermutung, dass ein Brief zugegangen ist?

Praktisch alle Verwaltungszustellungsgesetze kennen die sog. Drei-Tage-Fiktion, wonach ein Brief am dritten Tag nach dem Absenden als zugegangen gilt. Das gilt aber nur, wenn der Zugang nicht bestritten wird. Im Zweifel muss immer die Behörde beweisen, dass der Zugang erfolgt ist – und notfalls muss sie eine sichere Zustellungsmöglichkeit wie diejenige per Gerichtsvollzieher wählen.

bike-1087222_640Worüber hatte das Gericht dann noch zu entscheiden?

In diesem Fall ging es darum, dass die damalige GEZ dem Empfänger insgesamt fünf Briefe geschickt hatte, die angeblich allesamt nicht angekommen sind. Die GEZ konnte nachweisen, dass die Briefe von ihrer EDV-Anlage erstellt und versandt wurden. Den Zugang konnte sie jedoch nicht beweisen.

Die Konstellation war hier, dass die allermeisten der Briefe, die die GEZ an andere Personen versandt hatte, entweder ihren Empfänger erreicht hatten oder als unzustellbar zurückgegangen sind. Nur ganz wenige (darunter eben alle an diesen einen Empfänger) sollen verschwunden sein. Umgekehrt hatte der Kläger regelmäßig Post bekommen, nur eben nach seiner Aussage nie von der GEZ.

Im Endeffekt bedeutet dies also, dass genau diese Briefe verschwunden waren, und nur genau diese, und zwar alle. Wer das behauptet, der muss dafür, so das Gericht, irgendeine plausible Lösung anbieten. Das hat der Kläger aber nicht geschafft, darum hat er den Prozess verloren.

Kann sich also eine Behörde darauf berufen und sagen, dass ein abgeschickter Brief auch angekommen sein muss?

Nein, das gibt das Urteil eben nicht her. Nur bei einer Vielzahl an Briefen kann sich die Beweislast dahingehend umdrehen, dass der Empfänger nachweisen muss, dass er keinen einzigen davon bekommen hat. Bzgl. eines einzelnen Briefs gibt es aber keine Vermutung dahingehend, dass er auch zugegangen ist.

Dass Behörden dies häufig anders sehen und sie sich auf den Standpunkt stellen, ihre Schreiben müssten doch zwangsläufig zugegangen sein, ist rechtlich also nicht zutreffend.

BayVGH, Urteil vom 26.01.2009, 10 BV 08.1422

Der Kesselberg zwischen dem Kochel- und dem Walchensee im oberbayerischen Alpenland gilt als Unfallschwerpunkt. Von manchen Motorradfahrern wird er auch als „Rennstrecke“ genutzt. Um dies zu unterbinden, erließ das Polizeipräsidium Oberbayern eine Grundsatzanweisung: Wer einmal mehr als 40 km/h oder zweimal innerhalb eines Jahres mehr als 25 km/h zu schnell ist, dessen Motorrad sollte noch vor Ort beschlagnahmt und erst am nächsten Werktag – gegen Begleichung von fast 300 Euro Kosten – wieder herausgegeben werden.

Einem der darunter fallenden Fahrer war dies nicht gar so recht, sodass er klageweise dagegen vorging. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied in der Berufungsinstanz:

1. Eine Klage gegen die Sicherstellung ist auch dann zulässig, wenn das Motorrad längst wieder seinem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben wurde. Denn die Entziehung ist eine diskriminierende Maßnahme, gegen die der Kläger ein Rehabilitierungsinteresse hat. Daher ist eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig.

2. Art. 25 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes erlaubt nicht die Sicherstellung zu repressiven (bestrafenden), sondern nur zu präventiven (gefahrvorbeugenden) Zwecken. Diese setzen aber voraus, dass eine konkrete Gefahr entsteht, wenn das Motorrad nicht sichergestellt wird.

3. Aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für eine Störung der öffentlichen Sicherheit durch den betroffenen Fahrer in der nächsten Zeit war nicht erkennbar. Denn dieser Fahrer war weder in der Vergangenheit als „Raser“ besonders auffällig, hat sich einigermaßen einsichtig gezeigt und gehörte nicht zur „Rennszene am Kesselberg“.

4. Greift die Möglichkeit der Sicherstellung nach dem Polizeirecht nicht, bleibt es bei den Vorschriften des Ordnungswidrigkeiten-, Straf- und Straßenverkehrsrechts. Diese sehen Bußgelder, Geld- und ggf. Freiheitsstrafen, Einziehung von Fahrzeugen, Punkte im Flensburger Verkehrsregister, Fahrverbote und die Entziehung der Fahrerlaubnis vor.

OVG Sachsen, Beschluss vom 16.07.2012, 3 A 663 / 10

children-403582_1920Worum ging es?

Das Sächsische Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) regelt die Vorgehensweise der Behörden in Sachsen. Es gilt grundsätzlich für alle staatlichen Behörden. Darin (§ 2 Abs. 1) steht aber auch, dass es für den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) nicht gilt. In den meisten Ländern sind die Rundfunkanstalten vom Anwendungsbereich des VwVfG ausgenommen.

Nun war die Frage zu klären, ob eine bestimmte Vorschrift des VwVfG, nämlich die in § 53 vorgesehene Verjährungshemmung bei bestimmten Ansprüchen, trotzdem anwendbar ist.

Was besagt das Urteil?

Das Urteil hat § 2 Abs. 1 des sächsischen VwVfG dahin ausgelegt, dass der Ausschluss nur für die Kerntätigkeit des Rundfunks gilt. Die Programmgestaltung soll also nicht nach den auf Behörden zugeschnittenen Regeln des VwVfG erfolgen. Dort, wo der MDR aber wie eine normale Behörde handelt, also z.B. bei der Beitragserhebung, soll es auf diese Ausnahme nicht ankommen und das VwVfG ganz normal gelten.

Kann ein Gericht einfach so den Wortlaut eines Gesetzes ändern?

Der Wortlaut wird nicht geändert, denn er bleibt ja erhalten. Allerdings wird der Wortlaut tatsächlich nicht ganz eins zu eins angewandt, sondern man nimmt bestimmte Konstellationen von ihm aus. Dies wird als teleologische Reduktion bezeichnet. Der Telos (Sinn und Zweck) des Gesetzes wird also über den eigentlichen Wortlaut gestellt. Damit muss die Rechtsprechung aber grundsätzlich sehr vorsichtig sein, da sie so in die Aufgaben des Gesetzgebers eingreift.

Welche Regeln sind im Bereich des Sendebetriebs anzuwenden?

Dazu äußert sich das Urteil nicht, hier werden nur die internen Regelungen des Senders gelten.

Gilt das Urteil in allen Bundesländern?

Ein Urteil gilt grundsätzlich nur zwischen den Beteiligten. Auf andere Fälle, auch in anderen Bundesländern, ist es aber prinzipiell übertragbar. Allerdings haben andere Gerichte diese Frage auch schon anders beurteilt.

Gilt das Urteil auch nach der GEZ-Reform ab 2013 noch?

Ja, an den Prinzipien der Rundfunkverwaltung und am Wortlaut des VwVfG hat sich durch die neuen Rundfunkstaatsverträge und die Umstellung von Gebühren auf Beiträge nichts geändert.

Welche Regeln sind im Bereich der Verwaltungstätigkeit anzuwenden, wenn man anderer Meinung ist als das OVG Sachsen?

Das ist höchst fraglich. Teilweise wird eine analoge Anwendung der entsprechenden Regeln befürwortet. Andererseits könnte man auch auf verwaltungsrechtliches Gewohnheitsrecht zurückgreifen, das schon galt, bevor die verschiedenen VwVfG erlassen wurden. Dies stimmt im Wesentlichen mit dem überein, was mittlerweile auch im Gesetz steht.

Möglicherweise könnte man aber auch nur auf das zurückgreifen, was in den Rundfunkstaatsverträgen steht. Das wäre dann aber nicht viel und würde enorme Lücken reißen. Sollte sich die übrige Rechtsprechung also anders entscheiden als das sächsische OVG (und jedes Gericht ist grundsätzlich frei in seinen Urteilen), so könnte die ganze Materie durchaus interessant werden.

Ändert das Urteil etwas an der Beitragspflicht?

Nein, damit hat es nichts zu tun. Die Beitragspflicht ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, auch ohne jedes Verwaltungsverfahren.

Ändert das Urteil etwas an der Vollstreckung von Beiträgen?

An der Vollstreckung an sich nicht, da sich diese nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes richtet, nicht nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz. Allerdings ist eben der hier in Frage stehende § 53 VwVfG von Bedeutung, da nur darüber die Verjährung der Rundfunkbeiträge durch Erlass eines Festsetzungsbescheids verhindert werden kann.

Der Wortlaut des Urteils:

Der Anwendbarkeit von § 53 VwVfG steht § 2 Abs. 3 SächsVwVfG nicht entgegen, wonach das Verwaltungsverfahrensgesetz – abweichend von dem in § 1 SächsVwVfG geregelten Grundsatz der entsprechenden Anwendung – für die Tätigkeit des Mitteldeutschen Rundfunks nicht gilt. Diese Vorschrift hindert die Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht, weil sie nach dem Normzweck einschränkend dahin auszulegen ist, dass sie sich auf den Kernbereich der Rundfunkfreiheit bezieht, in dem Rundfunk in Unabhängigkeit und Staatsferne gewährleistet ist, nicht aber auf Bereiche, in denen die Rundfunkanstalt – wie hier bei der Gebührenerhebung – typische Verwaltungstätigkeit ausübt. Dies hat der Senat mit Beschluss vom 22. März 2012 (3 A 28/10) bereits zu §§ 41, 48 und 49 VwVfG entschieden und hieran hält er zu § 53 VwVfG auch mit Blick auf die Rügen der Klägerin fest.

Die teleologische Reduktion einer Norm stellt per se keine Auslegung unter Verstoß gegen ihren Wortlaut dar. Für sie streitet vorliegend schon der Grundsatz, dass Ausnahmevorschriften restriktiv auszulegen sind. Der Sinn und Zweck ist auch zweifelsfrei der Entstehungsgeschichte der Vorschrift zu entnehmen. So hat bereits der 2. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts in dem von der Klägerin zitierten Beschluss vom 9. Oktober 1997 (2 S 265/95) auf den Bericht des Innenausschusses des Sächsischen Landtages (LT-Drs. 1/2580, S. 1) hingewiesen, nach dem das Verwaltungsverfahrensgesetz nach der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 3 des Gesetzentwurfs für die Tätigkeit des Mitteldeutschen Rundfunks nicht gelten sollte, weil er ein Tendenzbetrieb sei und Art. 5 GG für diesen ein justizförmig ausgeprägtes Verwaltungsverfahren verbiete.

Soweit der 2. Senat, der die Frage seinerzeit offenlassen konnte, als mögliches Gegenargument angeführt hat, dass der Wortlaut der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 3 SächsVwVfG im Gegensatz zu der dem Landesgesetzgeber bei Erlass wohl bekannten Vorschrift des § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG keine Unterscheidung nach der Tendenzbezogenheit enthalte, zwingt dies nicht zu der Annahme, dass der Landesgesetzgeber die gesamte und nicht nur die grundrechtsrelevante Tätigkeit des Beklagten von dem Verwaltungsverfahrensgesetz ausnehmen wollte. Da sich sein gegenteiliger Wille aus der Entstehungsgeschichte ergibt, ist vielmehr anzunehmen, dass er die Ausnahmevorschrift auch ohne ausdrückliche Unterscheidung wie in § 118 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG für hinreichend klar hielt.

Ernstliche Zweifel im Sinne eines aufgrund des Zulassungsvorbringens ungewissen Verfahrensausgangs liegen auch nicht deshalb vor, weil einige Oberverwaltungsgerichte bei der Auslegung von dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 SächsVwVfG vergleichbaren Ausnahmevorschriften einen anderen Ansatz verfolgen. Soweit etwa der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Beschl. v. 19. Juni 2008 – 2 S 1431/08 -, juris Rn. 5) eine teleologische Reduktion ablehnt, beruht dies auch darauf, dass sich ein Sinnzusammenhang mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit dem dort maßgeblichen Gesetzentwurf nicht entnehmen lässt.

Im Übrigen liegt – soweit ersichtlich – keine obergerichtliche Rechtsprechung vor, die im Ergebnis zu einer Nichtanwendung des (Rechtsgedankens des) § 53 VwVfG gelangen würde. Die genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sowie die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschl. v. 14. Juli 2010 – 16 A 49/09) betreffen die Nichtgeltung des § 80 Abs. 1 VwVfG bzw. der entsprechenden landesrechtlichen Norm in Rundfunkgebührenstreitigkeiten. Dabei gehen beide Gerichte davon aus, dass aufgrund der lückenhaften Regelung des Rundfunkgebührenrechts ein Rückgriff auf das Landesverwaltungsverfahrensgesetz insoweit möglich ist, als in ihm allgemeine rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze zum Ausdruck kommen können (ebenso Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 2 Rn. 1; Schliesky, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 9. Aufl., § 2 Rn. 6).

Die Verneinung eines solchen Rückgriffs für § 80 VwVfG sagt nichts darüber aus, wie für § 53 VwVfG zu entscheiden wäre (vgl. auch OVG NW, Urt. v. 29. April 2008 – 19 A 368/04 -, juris Rn. 32 zur befürworteten Anwendung des §§ 48 und 49 VwVfG im Rundfunkgebührenrecht). Im Übrigen ziehen andere Obergerichte bei vergleichbarer Ausnahmevorschrift wie § 2 Abs. 3 SächsVwVfG die Verjährungsregel des § 53 VwVfG bzw. die entsprechende Landesnorm im Rundfunkgebührenrecht ausdrücklich heran (HessVGH, Beschl. v. 29. November 2011 – 10 A 2128/20.Z -, juris Rn. 34; OVG Saarland, Beschl. v. 7. November 2011 – 3 B 371/11 -, juris Rn. 7; OVG BerlinBrandenburg, Beschl. v. 19. März 2012 – OVG 11 N 27.10 -, juris Rn. 5).

(Absätze und Hervorhebungen durch den Bearbeiter.)