VG Münster, Urteil vom 08.05.2015, 1 K 1752/13

Eltern haben ein Recht darauf, über Inhalt und Lehrmethoden des Sexualkundeunterrichts an staatlichen Schulen umfassend informiert zu werden. Eine Befreiung vom Unterricht kommt aber regelmäßig nicht bei bloßen religiösen und ethischen Bedenken, sondern erst bei speziellen persönlichen Gründen in Frage.

Das Verwaltungsgericht Münster wog bei seiner Entscheidung gegeneinander ab:

  • die Glaubens- und Gewissensfreiheit der Schüler
  • das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Schüler
  • das Erziehungsrecht der Eltern
  • Sexualaufklärung als staatliches Erziehungsziel
  • Bewahrung und Warnung der Schüler vor sexuellen Gefahren

Nach diesen widerstreitenden Kriterien kam das Gericht zur Entscheidung, dass für eine Befreiung vom Sexualkundeunterricht eine Unzumutbarkeit der Teilnahme gegeben sein muss. Dies ist aber nicht schon dann der Fall, wenn die Eltern religiöse Vorbehalte gegen die Konfrontation mit Sexualität haben.

Informations- und Kontrollrechte für Eltern

Zur Stützung ihres verfassungsrechtlich verbürgten Erziehungsrecht müssen die Eltern aber die Möglichkeit haben, den Unterricht insofern kritisch zu begleiten, dass die über Inhalte und Vermittlungsmethoden informiert werden und den Unterricht so durch eigene Gespräche mit ihren Kindern flankieren können.

Wichtig ist aber gerade in Zeiten, in denen über Frühsexualisierung und Bildungspläne erhitzte Debatten geführt werden, dass das Gericht der Schule eine Pflicht zur Zurückhaltung auferlegt hat. Die Schule muss sich jeder Indoktrination enthalten und darf die Sexualentwicklung der Kinder keinesfalls in irgendeine Richtung lenken.

Teilsieg für Kläger

Das Urteil zeichnet sich durch eine offenbare Kompromissposition aus: Zwar bestätigt es die Pflicht zur Teilnahme an der Sexualkunde, betont aber zugleich die Rolle der Eltern in der Erziehung. Derart weitgehende Rechte haben die Gerichte in dieser Frage bisher selten angenommen.

Obwohl die Kläger formal gesehen verloren haben, kann man ihnen einen gewissen Erfolg hinsichtlich der Bestätigung ihrer Rechtspositionen nicht absprechen. Der schwelende Konflikt zwischen Staat und Eltern wird aber trotzdem bestehen bleiben.

VG Regensburg, Urteil vom 02.03.2015, RO 4 K 14.917

Ein Waffenbesitzer kann unzuverlässig sein und seine Waffen verlieren, wenn gegen ihn ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Dies gilt sogar dann, wenn dieses ohne Verurteilung eingestellt wurde, nachdem er eine Geldauflage bezahlt hat. Die Unschuldsvermutung gilt aus Sicht des Regensburger Verwaltungsgerichts in diesem Fall nicht:

Die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO darf durchgeführt werden, wenn die Erfüllung der geforderten Auflage oder Weisung geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Mit anderen Worten erfordert die Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a StPO bereits die Feststellung, dass der Tatbestand einer Strafvorschrift erfüllt worden ist und der Beschuldigte/Angeschuldigte/Angeklagte auch rechtswidrig gehandelt hat. Wären diese Voraussetzungen für eine Verurteilung nämlich nicht gegeben, müsste insbesondere unter Berücksichtigung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ ein Freispruch erfolgen und keine Einstellung nach § 153 a StPO.

Die Zustimmung zur Einstellung des Verfahrens sei ein Schuldeingeständnis:

Im Strafverfahren hat der Kläger die Straftat bestritten, aber gleichwohl der Einstimmung nach § 153 a StPO zugestimmt und damit bestätigt, dass er die den Tatbestand der ihm zur Last gelegten Strafnorm in rechtswidriger Weise erfüllt hat. Dieses widersprüchliche Verhalten des Klägers legt nahe, dass es ihm nur darum geht, die gegen ihn gerichteten Verfahren, Strafverfahren und Verwaltungsverfahren, möglichst schadlos zu überstehen. Er richtet sein Verhalten dementsprechend nicht nach den Fakten und dem Inhalt der Rechtsordnung, sondern nach dem für ihn größtmöglichen Nutzen aus. Das widersprüchliche Verhalten des Klägers und die dadurch zum Vorschein gekommene, dahinter stehende Einstellung des Klägers tragen den Schluss, dass ein deutliches Restrisiko dafür besteht, der Kläger werde auch künftig seine Vorstellungen anderen Personen gegenüber mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, d. h. auch mit Waffen, wenn er derer habhaft wird, durchsetzen.

Diese Ansichten sind durchaus kritikwürdig. Der Antragsteller hat daher auch Beschwerde gegen die Entscheidung eingelegt. Der Verwaltungsgerichtshof wird sich vermutlich in den nächsten Monaten dazu äußern.

BVerwG, Urteil vom 20.06.2013, BVerwG 4 C 2.12

Ein Bauvorhaben ist auch dann im Außenbereich zulässig, wenn es zwar andere Standorte im Innenbereich gibt, diese aber aus anderen Gründen nicht verfügbar sind.

Im Außenbereich, also außerhalb von im Zusammenhang bebauten Gebieten, soll grundsätzlich nicht gebaut werden, um Natur und Landschaft zu erhalten. Hiervon gibt es natürlich Ausnahmen, z.B. für Telekommunikationsanlagen (§ 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB) – hier ging es auch um einen Mobilfunkmast.

Allerdings ist Grundvoraussetzung für solche privilegierten Vorhaben, dass sie ortsgebunden sind, also gerade im Außenbereich verwirklicht werden müssen und im Innenbereich keinen Platz haben. Dies war hier an sich nicht der Fall, da es im Gemeindebereich verschiedene Grundstücke gab, auf denen der Mast hätte errichtet werden können. Von diesen war aber keines zivilrechtlich verfügbar, die Eigentümer wollten diese Grundstücke also weder verkaufen noch an den Mobilfunkbetreiber verpachten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun letztinstanzlich enstchieden, dass auch dies für eine Privilegierung ausreicht. Entscheidend sei nicht, ob es theoretisch auch Flächen im Innenbereich gäbe. Vielmehr müsse man auf die tatsächlichen Verhältnisse abstellen. Der Bauherr kann also nicht auf Alternativen verwiesen werden, die es in der Realität gar nicht gibt.

VG Ansbach, Urteil vom 27.10.2015, AN 4 K 14.00091

Der Grundsatz der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen (Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO) stellt einen objektiv-rechtlichen Grundsatz des bayerischen Kommunalrechts dar, der dem einzelnen Gemeindebürger keinen subjektiven Anspruch gibt. Somit fehlt es dem Bürger an der Klagebefugnis, wenn er einen rechtswidrigen Ausschluss der Öffentlichkeit moniert.

Die fehlende Öffentlichkeit bei Gemeinderatssitzungen kann dazu führen, dass der gefasste Beschluss rechtswidrig ist. Dies ist inzident zu überprüfen. Insoweit bedarf der Kläger aber wiederum der Klagebefugnis gegen den Inhalt des Beschlusses.

VGH Bayern, Beschluss vom 28.04.2016, 9 CS 15.2118

In einem Wohngebiet dürfen nur einige Hühner gehalten werden, um den Hauptzweck des Gebiets, das Wohnen, nicht zu beeinträchtigen. Ein Richtwert kann bei ungefähr 20 Stück Geflügel gesehen werden; die genaue Zahl hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab.

Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass für eine sinnvolle Zucht ein höhere Zahl von Tieren notwendig ist. Vielmehr setzen sich hier baurechtliche Anforderungen durch: Ist die Zucht unter Einhaltung der Höchstzahl nicht möglich, wird keine Ausnahme genehmigt, sondern ist sie ganz unzulässig.

Bayerischer VGH, Urteil vom 12.11.2013, 10 B 12.2078

Dass eine erkennungsdienstliche Behandlung § 81b Alt. 2 StPO nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass deren Anordnung nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und sich jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleiten muss. Der spätere Wegfall der Beschuldigteneigenschaft infolge der Beendigung des Strafverfahrens durch Einstellung, Verurteilung oder Freispruch lässt daher die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen unberührt.

Die Notwendigkeit der angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen i.S.d. § 81b Alt. 2 StPO beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vornahme dieser Maßnahmen. Ist die Anordnung noch nicht vollzogen, kommt es auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung an.

VG Mainz, Beschluss vom 08.06.2012, 3 L 487/12.MZ

Der Betreiber eines Campingplatzes hatte für diesen keine Baugenehmigung, obwohl er bereits seit Jahrzehnten bestand. Irgendwann schritt die Baubehörde dann doch ein und untersagte die weitere Nutzung. Zudem wurde die sofortige Vollziehbarkeit des Beschlusses angeordnet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), der Campingplatz musste also unmittelbar schließen.

Gegen beide Verfügungen wehrte sich der Betreiber erfolglos vor dem Verwaltungsgericht.

Die Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig, da eben keine Baugenehmigung bestand. Eine jahrzehntelange Duldung änderte hieran nichts. Nun gibt es noch eine Ausnahme von der Untersagbarkeit einer baulichen Anlagen, nämlich wenn diese offensichtlich genehmigungsfähig ist; dann wäre die Baugenehmigung nur noch eine Formalie, die in absehbarer Zeit erfüllt wäre und die Stilllegung eines Betriebs nicht rechtfertigen kann. Das war aber nicht der Fall, da es sich um ein Vorhaben im Außenbereich handelte, wo grundsätzlich nicht gebaut werden soll. Auch die Trinkwasserversorgung war gefährdet, sodass auch dies einer Genehmigung entgegenstand.

An sich hätte der Widerspruch bzw. die Klageerhebung gegen den Nutzungsuntersagungsbescheid dazu geführt, dass dieser vorerst nicht bestandskräftig wird (§ 80 Abs. 1 VwGO). Damit hätte der Betrieb also bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weitergehen können. Dem ist jedoch die Behörde entgegengetreten, indem sie in Abweichung von dieser Grundregel die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet hat; durch diese Bestimmung im Verwaltungsakt entfällt die aufschiebende Wirkung, die Regelung wird also sofort gültig.

Das VG hat zunächst im Eilverfahren nur darüber entschieden – es hätte also die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Bescheid wiederherstellen könnnen. Die Klage ist dann begründet, wenn entweder die Anordnung des Sofortvollzugs formell fehlerhaft war oder nach einer eigenen Abwägungsentscheidung des Gerichts das Interesse des Bürgers an der Aussetzung größer ist als das des Staates an der sofortigen Vollziehung. Beides wurde verneint, insbesondere ging das Gericht aus den eingangs angeführten Gründen davon aus, dass die Nutzungsuntersagung rechtmäßig ist. Wenn man davon ausgehen muss, dass der Bescheid korrekt ist, hat der Betroffene auch keinen Anspruch darauf, dass er ihm vorerst nicht nachkommen muss.

In der Hauptsache ist damit aber noch keine Entscheidung getroffen. Möglicherweise bringt die mündliche Verhandlung andere Gesichtspunkte zu Tage, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes noch keine Beachtung gefunden haben. Allerdings ist die Ablehnung des Antrags im Anordnungsverfahren schon ein gewisser Hinweis darauf, dass die Chancen zumindest nicht allzugut stehen. Bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts darüber muss der Betroffene also den Campingplatz schließen.

Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist noch die Beschwerde (§ 146 Abs. 1 VwGO) an das Oberverwaltungsgericht zulässig.

BVerwG, Urteil vom 22.10.2014, 6 C 7.13

Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist bei drohendem Verwaltungshandeln ohne VA-Qualität statthaft. Die Klagebefugnis hierfür besteht, wenn eine Rechtsverletzung durch Verwaltungshandeln nicht ausgeschlossen ist.

Ein Kfz-Kennzeichen ist ein personenbezogenes Datum und damit in den Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung einbezogen. Die informationelle Selbstbestimmung umfasst auch die Speicherung von Daten, die – wie das Kfz-Kennzeichen – öffentlich zugänglich sind und geringen Informationsgehalt haben, da elektronischen Datenverarbeitung Querverbindungen ermöglicht, die dem Kfz-Kennzeichen eine besondere Bedeutung zuweisen (bspw. die Erstellung von Bewegungsprofilen eines Fahrzeugs, das auch Rückschlüsse auf die Bewegungsmuster des Halters zulässt).

Im konkreten Fall wurden die Kfz-Kennzeichen aller Fahrzeuge auf bestimmten Strecken automatisch erfasst und mit Einträgen in Fahndungslisten und ähnlichen Dateien abgeglichen. Insoweit ist zu differenzieren:

  • Die anonyme automatische Erfassung und sofortige Löschung von Daten, die einem Suchraster nicht entsprechen („Nichttreffer“), ist kein Eingriff in das Grundrecht.
  • „Unechte Treffer“, die von der automatischen Erfassung als Treffer behandelt, aber von der manuellen Kontrolle aussortiert werden (bei denen sich das automatische Erkennungssystem also „verlesen“ hat), stellen auch noch keinen Eingriff dar, da hier kein staatliches Interesse an den Daten gegeben ist.
  • „Echte Treffer“, die vom kontrollierenden Beamten verifiziert werden, stellen einen Eingriff dar. Die Klage eines Fahrzeughalters ist aber jedenfalls unbegründet, solange eine Eintragung in Fahndungsdatenbanken nicht gegeben ist, es also bei seinem Fahrzeug zu gar keinem echten Treffer kommen kann.

BayVGH, Urteil vom 16.02.2006, 4 N 05.779

Das bayerische Kommunalrecht kennt nur zwei Organe von Gemeinden: Den Bürgermeister und den Gemeinderat. Hinter dem Bürgermeister steht natürlich noch die gesamte Gemeindeverwaltung mit ihren Beamten und Mitarbeitern, die in seinem Namen handeln. Je nach Art der Gemeinde wird der Bürgermeister teilweise als Oberbürgermeister, der Gemeinderat als Stadtrat oder Marktgemeinderat bezeichnet.

Welches Organ für eine bestimmte Aufgabe zuständig ist, bestimmt im Wesentlichen Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung. Danach ist der Bürgermeister zuständig für „die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen“. In allen anderen Fällen muss der Gemeinderat entscheiden.

Diese Abgrenzung ist natürlich höchst relativ: Wann ist eine Angelegenheit laufend? Wann hat die grundsätzliche Bedeutung? Wann sind die Verpflichtungen erheblich?

Daher werden häufig summenmäßige Begrenzungen in die Geschäftsordnung des Gemeinderats aufgenommen. Diese regeln bspw., dass der Bürgermeister alle Aufträge der Gemeinde vergeben kann, wenn diese 20.000 Euro nicht überschreiten. Diese Summen sind natürlich völlig unterschiedlich, bei kleinen Dörfern können schon wenige hundert Euro erheblich sein, bei einer Großstadt kann es dagegen um Millionenbeträge gehen.

In der vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Sache hatte der Gemeinderat eine Geschäftsordnung erlassen, die die Kompetenzen des Bürgermeisters erheblich beschnitten hat. Dagegen hat der Bürgermeister geklagt.

Zunächst stellt sich die Frage, ob es sich bei der Geschäftsordnung des Gemeinderats überhaupt um eine Rechtsnorm handelt. Denn nur gegen eine Rechtsnorm kann die Normenkontrolle gemäß Art. 47 VwGO beantragt werden. Der VGH hat dies bestätigt, da die Zuständigkeitsverteilung eine Richtlinie gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO darstelle. Diese Richtlinie verteilt mit bindender Wirkung die Kompetenzen zwischen Gemeinderat und Bürgermeister, sie wirkt nicht nur als Vermutung für die Zuständigkeit.

Etwas seltsam ist, dass der Bürgermeister hier gegen seine eigene Gemeinde (deren Repräsentant er ist) klagt. Der Bürgermeister ist aber ein Organ des Kommunalverfassungsrechts und kann insoweit seine Rechte wahrnehmen. Klagegegner ist nicht etwa der Gemeinderat, sondern nach dem Rechtsträgerprinzip stets die Körperschaft, für die das Organ handelt – hier also die Gemeinde.

In der Sache war die Klage aber erfolglos.

Zwar senkte die neue Geschäftsordnung die Höchstbeträge für die Kompetenz des Bürgermeisters um bis 70 % ab, was eine ganz erhebliche Beschneidung seiner Zuständigkeiten darstellt.

Dies ist aber kein Problem, da der Gemeinderat grundsätzlich allzuständig ist. Er ist das beratende und beschließende Organ der Gemeinde. Eine echte Gewaltenteilung zwischen Gemeinderat und Bürgermeister gibt es nicht, ebenso keine „checks and balances“, die ein Gleichgewicht zwischen den Organen notwendig machen würde.

Was die „laufenden Angelegenheiten“ sind, die gesetzlich zur Zuständigkeit des Bürgermeisters gehören und ihm auch nicht entzogen werden dürfen, unterliegt dem Beurteilungsspielraum des Gemeinderats. Er konkretisiert die unbestimmten Rechtsbegriffe (laufend, grundsätzlich, erheblich; siehe oben) anhand der individuellen Verhältnisse ihrer Gemeinde. Diese Beurteilung ist gerichtlich regelmäßig nicht nachprüfbar.

Eine Unwirksamkeit der Richtlinie wäre allenfalls denkbar, wenn die gesetzliche Regelung des Art. 37 Abs. 1 Nr. 1 GO unterlaufen würde, indem dem Bürgermeister sogar der Kernbereich seiner Zuständigkeiten entzogen wird. Hierfür sah das Gericht aber keine Anhaltspunkte.

Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 06.06.2014, 6 L 884/14.TR

Ein Abiturient aus Rheinland-Pfalz hatte eine freiwillige Arbeit nicht erbracht. Somit bestand sein Abitur nur aus 43 Einzelleistungen; trotzdem wurde zur Ermittlung seines Abiturschnitts die Gesamtpunktzahl durch 44 geteilt. Das bedeutet praktisch, dass die „freiwillige“ Arbeit mit null Punkten oder der Note 6 bewertet und bei der Berechnung des Abiturschnitts voll herangezogen wurde – von Freiwilligkeit ist also keine Spur mehr.

Hiergegen wollte er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorgehen und das Land verpflichten lassen, seine Abiturnote von bisher 1,6 auf (rechnerisch korrekt, wenn nur 43 Leistungen einbezogen würden) 1,5 zu verbessern.

Das VG Trier hat dies (zunächst) abgelehnt, da die Notwendigkeit einstweiligen Rechtsschutzes nicht dargelegt sei. Es sei nicht ersichtlich, dass dieses Zehntel in der Abiturnote seine Chancen auf Zulassung zum Studium (hier: Humanmedizin) entscheidend verschlechtere. Er kann sich also zunächst auf einen Studienplatz bewerben und gleichzeitig das verwaltungsgerichtliche Verfahren weiter betreiben, um in diesem seine Zeugnisnote zu verbessern.

Anders wäre das Urteil möglicherweise ausgegangen, wenn er konkret hätte nachweisen können, dass er einen Studienplatz mit der Note 1,5 bekommen würde, mit 1,6 dagegen nicht. Dann wäre sein Anspruch auf eine schnelle Entscheidung der Sache offensichtlich gewesen.