AG Schöneberg, Urteil vom 30.07.2014, 103 C 160/14

1. Bringt der Vermieter Kamera-Attrappen im Hauseingangsbereich an, um Vandalismus-Schäden zu vermeiden, so verletzt dies nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mieters. Insbesondere entsteht gegenüber dem Mieter kein Überwachungsdruck, da ihm bekannt ist, dass die Kameras nur Attrappen sind.

2. Auch die Befürchtung des Mieters, der Vermieter könnte eines Tages die Attrappen durch echte Kameras auswechseln, begründet noch keinen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht.

3. Damit steht dem Mieter auch kein Unterlassungsanspruch gegen den Vermieter zu. „AG Schöneberg, Urteil vom 30.07.2014, 103 C 160/14“ weiterlesen

AG Hamburg, Urteil vom 10.03.2009, 256 Cs 2207 Js 262 / 09 („in die Fresse“)

argument-238529_1920Nicht an der Juristerei, sondern an der Politik liegt, dass es gerade in aller Munde ist, jemandem „in die Fresse“ zu hauen. Einer anderen Person etwas „in die Fresse“ anzudrohen, ist in der Regel auch rechtlich nicht besonders interessant. Es sei denn, natürlich, diese Person ist ein Beamter.

Und das war auch beim Urteil des Hamburger Amtsgerichts aus dem Jahr 2009 der Fall. Hier war es so, dass ein Besucher im Gefängnis Fuhlsbüttel ausfällig gegenüber den dortigen Justizvollzugsbeamten wurde. Vorausgegangen war ein Streit darüber, ob er als JVA-Besucher Wechselgeld in der Hosentasche haben durfte und wo er her hatte. Konkret sagte er dann: „Ihr kommt ja auch noch einmal aus der Anstalt und bekommt ihr auf die Fresse! Ja, dann bekommt ihr richtig auf die Fresse!“

Verbalinjurien gegenüber Beamten sind zwar auch nicht anders strafbar als gegenüber sonstigen Menschen, insbesondere gibt es keinen eigenen Tatbestand der Beamtenbeleidigung. Aber die Staatsanwaltschaften legen einen deutlich höheren Verfolgungseifer an den Tag, wenn ein Staatsdiener durch böse Worte angegriffen wird. „AG Hamburg, Urteil vom 10.03.2009, 256 Cs 2207 Js 262 / 09 („in die Fresse“)“ weiterlesen

LG Berlin, Beschluss vom 14.09.2017, 67 O 149 / 17 (Verfassungswidrigkeit der Mietpreisbremse)

Wirkung und Rechtmäßigkeit der Mietpreisbremse sind umstritten. Das LG Berlin hält sie nun für verfassungswidrig.
Wirkung und Rechtmäßigkeit der Mietpreisbremse sind umstritten. Das LG Berlin hält sie nun für verfassungswidrig.
Das Berliner Landgericht hält die Mietpreisbremse für verfassungswidrig. Das hat dies in seinem Beschluss vom 14. September 2017 ausgeführt. Zu einer Vorlage beim BVerfG und damit zu einer endgültigen Entscheidung kommt es deswegen aber nicht.

Gericht moniert Ungleichbehandlung

Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass die Mietpreisbremse eine unzulässige Einschränkung der Vertragsfreiheit darstelle. Insoweit liege auch eine Ungleichbehandlung von Vermietern vor, weil diese an die – je nach Stadt sehr unterschiedliche – ortsübliche Vergleichsmiete gebunden sind. Auch dürften Vermieter, die bisher schon eine hohe Miete verlangt haben, nun diesen Preis weiter verlangen (§ 556e BGB), da es einen Bestandsschutz gibt. Wer dagegen unter dem Ortsüblichen lag, muss sich durch die Vorschriften „einbremsen“ lassen. „LG Berlin, Beschluss vom 14.09.2017, 67 O 149 / 17 (Verfassungswidrigkeit der Mietpreisbremse)“ weiterlesen

BGH, Urteil vom 07.09.2017, III ZR 71 / 17 (Schmerzensgeld bei Staatshaftung)

man-2460186_1920Das Staatshaftungsrecht ist noch immer eine weitgehend unkodifizierte Materie: Es gibt kaum Gesetze dazu. Die komplexen und teilweise sehr unterschiedlichen Sachverhalte werden alle anhand einiger weniger Normen in Grundgesetz, BGB und (man höre und staune!) Allgemeinem Preußischem Landrecht gelöst. Darum hat sich hier eine große Menge an Richter- und Gewohnheitsrecht gebildet, die auch für Experten kaum noch überschaubar ist.

Einen groben Überblick über das System des deutschen Staatshaftungsrechts finden Sie hier.

Im vorliegenden Fall wurde ein Bürger zu Unrecht einer Straftat verdächtigt und daraufhin von der Polizei – nennen wir es mal so – aufgegriffen. Die Pressemitteilung des BGH formuliert es in dieser Weise:

Da [die Polizeibeamten] vermuteten, der Kläger und dessen Mitarbeiter führten eine Schusswaffe mit sich, forderten sie zur Eigensicherung beide auf, die Hände hoch zu nehmen, brachten sie zu Boden und legten ihnen Handschellen an.

„BGH, Urteil vom 07.09.2017, III ZR 71 / 17 (Schmerzensgeld bei Staatshaftung)“ weiterlesen

OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.6.2011, 4 Ss 137 / 11

Einhandmesser gemäß § 42 a Abs. 1 Nr. 3 WaffG sind Messer mit einer einhändig feststellbaren Klinge. Diese müssen es folglich erlauben, die Klinge mit der das Messer führenden Hand aufzuklappen, auszufahren oder auszuschwenken und dann festzustellen.

Solche Messer dürfen nicht in der Öffentlichkeit geführt werden. Hierzu gehört auch das Aufbewahren im Auto.

Etwas anderes gilt nur, wenn ein allgemein anerkanntes Interesse für das Führen § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 3 WaffG vorliegt. Die Möglichkeit, bei einem Unfall den Sicherheitsgurt durchschneiden zu können, zählt nicht dazu. Das Durchschneiden von Gurten durch Einhandmesser sei weder üblich noch geschichtlich gewachsen und entspräche auch keinem praktischen Bedürfnis, da man den Sicherheitsgurt auch anders durchschneiden könne.

Die von § 42a WaffG verwandten offenen Rechtsbegriffe „berechtigtes Interesse“ (Abs. 2) und „einem allgemein anerkannten Zweck dienen“ (Abs. 3) sind einer rechtssicheren Auslegung zugänglich verstoßen daher nicht gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG).

LG Tübingen, Beschluss vom 03.08.2017, 5 T 121/17, 20/17, 141/17, 122/17, 280/16, 246/17

children-403582_1920Das Landgericht Tübingen, insbesondere dessen 5. Zivilkammer durch Einzelrichter Dr. Sprißler, hat schon mehrfach bürgerfreundliche Entscheidungen in Rundfunkbeitragssachen gefällt. Über zwei Beschlüsse habe ich hier schon geschrieben:

Zu letzterer Entscheidung hatte ich angesichts der ausführlichen Begründungen gemutmaßt, dass das Gericht eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht plant. Tatsächlich ist nun eine Vorlage erfolgt – allerdings an den Europäischen Gerichtshof. Was zunächst noch ein Gerücht war, hat sich nun bestätigt, da die Beschlussausfertigung vorliegt. „LG Tübingen, Beschluss vom 03.08.2017, 5 T 121/17, 20/17, 141/17, 122/17, 280/16, 246/17“ weiterlesen

VGH München, Urteil vom 13.01.2016, 4 N 15.360

Der Eigentümer eines Grundstücks im gemeindefreien Gebiet kann sich nicht gegen eine Umgliederung dieser Flächen in das Gebiet einer Gemeinde gemäß Art. 11 Abs. 1 der Gemeindeordnung wehren. Da die Bezirsregierung einen entsprechenden gemeindlichen Antrag nur bei entgegenstehenden Gründen des öffentlichen Wohls ablehnen kann, sind private Rechte hier nicht berücksichtigungsfähig.

Dass die Flächen damit erstmals gemeindlicher Kontrolle unterliegen, betrifft das öffentliche Wohl nicht. Die Belastung der Grundstückseigentümer, die durch die Anwendbarkeit gemeindlicher Normen, durch Bauleitpläne und durch Grund- und Gewerbesteuer entstehen kann, ist keine Betroffenheit, die bereits gegen die Eingliederung eingewandt werden kann.

Dass der Grundstückseigentümer nun nicht mehr verpflichtet ist, gemeindliche Pflichten wahrzunehmen (Art. 10a Abs. 2 Satz 1 GO), ist kein Eingriff in eine Rechtsstellung, sondern lediglich eine Befreiung von Pflichten.

Eine unterlassene Anhörung des Grundstückeigentümers begründet ebenfalls kein Recht für ihn, da er kein formalisierte Mitwirkungsposition innehat, sondern die Anhörung nur der Sachverhaltsaufklärung dient.

BVerfG, Beschluss vom 08.11.2016, 1 BvR 935/14

x-ray-of-the-jaw-2416943_640Das länderübergreifende Wirken des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist nicht zu beanstanden. Das Grundgesetz (Art. 87 Abs. 2) räumt dem Gesetzgeber hier einen weiten Regelungsspielraum ein, der sich nicht an die allgemeinen Vorschriften, wonach die Länder die Bundesgesetze ausführen (Art. 83 GG) halten muss.

Hier war die Verfassungsbeschwerde jedoch schon unzulässig: Ein Krankenhaus kann das allgemeine Persönlichkeitsrecht seiner Patienten (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) nicht geltend machen, da insoweit keine Verletzung eigener Rechte vorliegen kann. Auch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) wurde nicht schlüssig dargelegt.

OLG Köln, Urteil vom 22.11.2016, 1 RVs 210 / 16

key-978208_640Wegen Wuchers macht sich gemäß § 291 StGB strafbar, wer „die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen ausbeutet“.

Ein „Ausbeuten“ wird in der Regel erst angenommen, wenn mindestens das Doppelte des üblichen Preises verlangt wird. Im konkreten Fall hatte ein Schlüsseldienstbetreiber 320 statt der üblichen 130 Euro, also fast das Zweieinhalbfache des normalen Preises verlangt.

Notwendig wäre aber auch noch ein Ausnutzen einer besonderen Lage gewesen. Diese sah die Staatsanwaltschaft in der Tatsache des Ausgesperrtseins – wer einen Schlüsseldienst anruft, tut das eigentlich nie freiwillig, sondern weil er keine andere Möglichkeit sieht.

Dem konnte das Gericht aber nicht folgen. Bei der Beauftragung eines Schlüsseldienstes weiß man, dass das teuer ist. Gegebenenfalls muss man sich also vorher nach den Kosten erkundigen und Preise vergleichen. Ein Wucher sei nur dann anzunehmen, wenn dafür keine Zeit mehr ist, weil ein absoluter Notfall vorliegt und man unbedingt in die Wohnung muss.

Zivilrechtlich bedeutet dies aber nicht, dass der volle Preis auch gezahlt werden muss. Bei einem Werkvertrag muss gemäß § 632 Abs. 2 BGB nur eine vereinbarte Vergütung bezahlt werden. Wenn eine solche Vereinbarung nicht erfolgt ist, sondern der Schlüsseldienst erst danach die Rechnung präsentiert, ist nicht diese bindend, sondern nur der marktübliche Preis.

BVerfG, Beschluss vom 08.05.2017, 2 BvR 157/17

barbed-wire-2074965_640Flüchtlinge haben in Griechenland keine Chance, ihr Existenzminimum zu erlangen. Weder können sie dies durch Arbeit sichern, noch erhalten sie Sozialleistungen, noch verfügen sie über ausreichende private Kontakte hierfür.

Dies stellt eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK dar. Eine Auslegung von § 60 Abs. 5 AufenthG, die dies nicht berücksichtigt, verletzt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und ist somit verfassungswidrig. Daher sind Abschiebungen nach Griechenland unzulässig.

Für die anwaltliche Tätigkeit in aufwendigen Asylverfahren ist regelmäßig ein höherer Streitwert als der reguläre von 5000 Euro anzusetzen. Im konkreten Fall wurden 20.000 Euro für das Hauptsacheverfahren und 10.000 Euro für das Eilverfahren für angemessen erachtet.