Gefängnis oder Abschiebung – was ist schlimmer?Das spanische Strafrecht sah ursprünglich vor, dass verurteilte Ausländer bei Freiheitsstrafen bis zu sechs Jahren diese entweder verbüßen mussten oder abgeschoben werden konnten. In letzterem Falle konnte das Gericht ein Einreiseverbot von drei bis zu zehn Jahren festsetzen.
Diese Vorschrift wurde im Oktober 2003 dahingehend abgeändert, dass verurteile Ausländer in diesen Fällen immer abgeschoben werden mussten und ihnen ein Einreiseverbot von zehn Jahren aufzuerlegen war. Das Gericht hatte also keine Wahlmöglichkeit mehr und konnte die Dauer des Einreiseverbots auch nicht verringen.
Ausländische Gastarbeiter (hier aus Togo) werden in Europa häufig ausgebeutet. Die EMRK-Staaten sind verpflichtet, dies zu verhindern.Die Klägerin ist togolesische Staatsangehörige. Sie kam mit einer Bekannten („Mrs. D.“) aus Togo nach Paris, wo sie ihr im Haushalt helfen sollte, bis ihr Flugticket abbezahlt sei. Tatsächlich musste sie dauerhaft unbezahlt arbeiten, ihr Reisepass wurde ihr weggenommen. Später wurde sie an ein anderes Ehepaar „verliehen“, für das sie ebenfalls ohne Bezahlung ca. 100 Stunden pro Woche arbeitete.
Sie klagte nach ihrer Befreiung aus dieser Situation gegen den französischen Staat wegen Verletzung des Verbots von Sklaverei und Zwangsarbeit (Art. 4 EMRK). Dieser habe nicht die notwendigen Maßnahmen unternommen, um seine Bürger gegen derartige Ausbeutung zu schützen.
Wer bedeutsame Informationen mitteilt, muss geschützt werden. Ansonsten würden diese Quellen für die Presse unerreichbar.Die Klägerin in diesem Fall ist eine lettische Journalisten, die über Datenschutzpannen im staatlichen Rechnungshof berichtete. Daraufhin wurde ihre Wohnung nach Daten und Beweismitteln durchsucht, um ihren Informanten im Rechnungshof zu identifizieren.
The Sunday Times gegen Vereinigtes Königreich – Art. 10 EMRK
Die Contergan-Fälle waren auch in Großbritannien ein großes öffentliches Thema, über das die Presse intensiv berichtete.Die Contergan-Fälle sind hierzulande noch immer bekannt. Auch in anderen Ländern nahmen schwangere Frauen das Schlafmittel, was zu Missbildungen bei den ungeborenen Kindern führte. In Großbritannien gab es zahlreiche „thalidomide cases“, benannt nach dem chemischen Wirkstoff.
Die britische Zeitung Sunday Times berichtete über die Schadenersatzklagen der betroffenen Familien gegen das herstellende Unternehmen. Dabei veröffentlichte sie auch außergerichtliche Vergleiche zwischen den Klägern und der Beklagten.
Gericht verbot Berichterstattung über außergerichtliche Vergleiche
Daraufhin untersagte eines der zuständigen Gerichte der Zeitung die weitere Berichterstattung. Hiergegen klagte die Sunday Times vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen ihrer Meinungsfreiheit (Art. 10 EMRK).
In diesem sehr bekannten Verfahren ging es um strafverfahrensrechtliche Fragen sowie um das Folterverbot.
Kernsätze des Urteils
Es gibt keine Ausnahmen vom Folterverbot aus Art. 3 EMRK. Auch Kerninteressen des Staates und das Leben anderer Menschen erlauben keine Gewaltanwendung zur Erlangung von Aussagen („Rettungsfolter“).
Bereits die Bedrohung mit einer unmittelbar bevorstehenden Folterung ist eine unmenschliche Behandlung.
Aussagen, die unter Verletzung von Art. 3 EMRK erlangt werden, dürfen nicht als Beweismittel in einem Strafverfahren herangezogen werden.
Beweismittel, die aufgrund einer solchen unverwertbaren Aussage aufgefunden wurden, also indirekt auf den Verstoß zurückgehen, dürfen grundsätzlich nicht verwendet werden. Eine Verwendung stellt einen Verstoß gegen das faire Verfahren (Art. 6 EMRK) dar. Eine Ausnahme gilt nur, wenn die Aussagen später ohne Zwang oder Drohung wiederholt wurden.
Drohung mit Folter bei erstem Verhör
Folter gehört ins Mittelalter und nicht in ein modernes Strafverfahren. Art. 3 EMRK statuiert ein absolutes und ausnahmsloses Folterverbot.Der Antragsteller war Beschuldigter eines Ermittlungsverfahren gegen ihn. Er wurde – zutreffenderweise – beschuldigt, einen Elfjährigen entführt zu haben, um dessen Eltern zu erpressen.
Unmittelbar nach seiner Verhaftung wurde er durch die Polizei verhört. Diese ging davon aus, dass das Entführungsopfer noch am Leben sein könnte, sich aber in einem möglichen Versteck ohne ordentliche Versorgung in Lebensgefahr befände. Daher wurde er unstreitig mit verschiedenen Gewaltmaßnahmen bedroht, sollte er den Aufenthaltsort des Kindes nicht sofort verraten. „EGMR, Urteil vom 30.06.2008, Nr. 22978/05“ weiterlesen
Axel-Springer-Verlag gegen Deutschland – Art. 10 EMRK
Auch ein Zeitungsverlag kann sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Wird eine Berichterstattung verboten, müssen hierfür triftige Gründe vorliegen.Die Bild-Zeitung aus dem Axel-Springer-Verlag hatte über die Festnahme und Verurteilung eines bekannten Schauspielers wegen Drogenbesitzes berichtet. Die Berichterstattung erfolgte mit Bildern und voller Namensnennung. Hiergegen erhob der Betroffene Unterlassungsklage, die er letztinstanzlich auch gewann.
Der Verlag sah dadurch sein Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 EMRK) verletzt. Dem schloss sich auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte an.
Der unstrittige Eingriff in die Meinungsfreiheit sei nicht durch das Persönlichkeitsrecht des Schauspielers gedeckt. Denn die Berichterstattung sei sachlich korrekt gewesen, neutral erfolgt und habe sich lediglich um diese Angelegenheit gedreht, ohne das Privatleben des Betroffenen unnötig zu thematisieren.
Daher stelle die gerichtliche Unterlassungsverfügung einen (wenngleich milden) Eingriff in die Meinungsfreiheit des Verlags dar.
Ouardiri et al. gegen die Schweiz – Art. 9, 14 und 13 EMRK
Das Minarettverbot in der Schweiz kann gegen die EMRK verstoßen. Die Kläger hatten aber nicht begründet, warum sie persönlich davon betroffen sind.Ende 2009 verabschiedete die Schweiz im Wege der Volksabstimmung eine Verfassungsänderung, nach der der Bau von Minaretten (speziellen Türmen auf Moscheen) verboten wurde.
Hiergegen klagten verschiedene islamische Vereinigungen und Privatpersonen. Sie sahen ihr Recht auf Religionsfreiheit (Art. 9 EMRK) sowie das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) als verletzt an.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nahm die Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Sie sei unzulässig, da die Kläger nicht durch die mögliche Konventionsverletzung beeinträchtig seien.
Nach griechischem Prozessrecht wurde standardmäßig angenommen, dass jede Person griechisch-orthodoxer Christ sei. Als solche waren die Zeugen dann verpflichtet, auf die Bibel zu schwören, dass sie die Wahrheit sagen würden. Wer dies nicht wollte, musste seinen (abweichenden) Glauben angeben und konnte dann eine andere Form der Bekräftigung wählen.
Zeugen können gemäß Art. 9 EMRK nicht gezwungen werden, ihr Bekenntnis zu offenbaren, wenn sie nicht auf die Bibel schwören möchten.Die Kläger vor dem EGMR empfanden dies als Verletzung ihrer Gedanken‑, Gewissens- und Religionsfreiheit aus Art. 9 EMRK.
Der Gerichtshof gab ihnen im Wesentlichen Recht. Zu dieser Religionsfreiheit gehöre demnach auch, dass man seine Religion nicht gegenüber staatlichen Stellen offenbaren müsse. Das Verlangen nach Angabe der Religionszugehörigkeit sei auch nicht gerechtfertigt, um die Ernsthaftigkeit der Beteuerung sicherzustellen. Vielmehr könne das Gesetz auch die freie Wahl zwischen religiösem Eid auf die Bibel und feierlicher Beteuerung vorsehen.
Dabei handelt es sich übrigens um nichts spezifisch Griechisches: Auch die deutsche Strafprozessordnung aus dem Kaiserreich sah ursprünglich vor, dass „der Zeuge über Vornamen und Zunamen, Alter, Religionsbekenntniß, Stand oder Gewerbe und Wohnort befragt wird“.
Der Beschwerdeführer war in Deutschland wegen ungefähr 300 Sexualdelikten angeklagt, die sich über einen längeren Zeitraum erstreckt haben sollen.
Wer nicht verurteilt wurde, gilt als unschuldig – sog. „Unschuldsvermutung“.In der 17 Tage dauernden Hauptverhandlung kam das Landgericht zu der Überzeugung, dass vier dieser Straftaten hinsichtlich aller Umstände, Ort und Zeit nachgewiesen seien. 50 weitere Straftaten hätten sicher stattgefunden, die genauen Umstände ließen sich aber nicht mehr ermitteln. Hinsichtlich der übrigen Straftaten sei ein Tatnachweis nicht erbracht.
Gericht hat Gegenstand des Urteils eingeschränkt
Darum stellte das Gericht das Verfahren am letzten Hauptverhandlungstag wegen aller bis auf die erstgenannten vier Straftaten ein. Rechtsgrundlage war § 154 StPO, wonach eine Beschränkung der Verfolgung auf einzelne Taten möglich ist, wenn die übrigen keine wesentlich höhere Strafe erwarten lassen.
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